"Das war Junay!", rief sie, bevor sie auf Ronya sprang und die Zügel herumriss. Weder Shan, noch Nay konnten so schnell reagieren, als Luca in den Wald ritt.
Nay stürzte ihr noch nach, doch sie war schon in der Dunkelheit verschwunden. Sofort wollte Shan sich auf Elena schwingen, doch Nay hielt ihn am Arm fest.
"Du kannst mich nicht allein lassen! Bitte!", schluchzte sie und Shan rief: "Aber wir müssen doch hinterher!"
"Mich bekommt niemand mehr in diesen Wald! Und bitte, lass mich nicht allein!", weinte Nay. Da erkannte Shan, wie schrecklich Nay sich fühlen musste. Ihre eigene Cousine war im schrecklichsten und heimtückischten Wald auf ganzRilm gefangen und sie konnte ihr nicht helfen. Nay musste sich wirklich elend fühlen. Shan nahm ihre Hand und zog sie mit sanfter Gewalt neben sich.
"He, Luca geht es gut! Und Junay..." Er stockte, bevor er sagte: "...auch. Den beiden wird nichts passieren. Sie werden heil wieder hier herauskommen. Glaub mir!"
Nay schluckte, dann beruhigte sie sich langsam. Sie drückte Shans Hand, ehe sie sich auf ihre Decke setzte und in den Wald starrte. So sah er tatsächlich nicht sehr einladend aus. Mit seinen etwa zwanzig Meter hohen Bäumen, die dunkel und kalt wirkten, hatte er etwas mystisches an sich und Shan fühlte sich ziemlich unbehaglich, als er das Holz aufsammelte, das Luca hatte fallen lassen. Er stapfte zurück zu Nay, legte das Holz auf einen Haufen und fing an, ein Feuer zu machen. Als er das geschafft hatte, fing er an, in der Satteltasche, die an Elena hing, herumzukramen. Schließlich grinste er triumphierend und zog einen frischen Laib Brot heraus.
"Wo hast du das denn her?", wunderte sich Nay, als er sich wieder neben sie setzte und den Laib mit seinem Messer teilte. "
"Ich hab ihn geklaut, noch bevor ich Luca gefunden hab. Na ja, ich schlpp immer einen mit mir herum. Für Notfälle. Und das hier ist definitiv ein Notfall!", grinste er und gab Nay die Hälfte ab, die es in kleinen Bissen aß.
Schweigend starrten sie in das Feuer, bis Shan leise anfing zu erzählen: "Ich bin von zu hause abgehauen, als ich 14 Jahre alt war. Mein Dad hatte nie Zeit und meine Mum hatte nur Augen
für meine große Schwester, die bald heiratete. Das ging drei Monate so, dann hab ich Elena gesattelt, ein wenig Geld genommen und bin abgehauen."
"Aber von wo kommst du?", fragte Nay und sah ihn an.
"Aus Minou. Ich hab das seit meiner Geburt gewohnt."
"Und Junay? Hat der auch dort gewohnt?"
"Nein. Er ist, glaube ich, aus Tjaro. Aber für vier oder fünf Jahre hat er mal in Minou gewohnt, ist dann aber nach Tjaro zurückgekehrt. In diesen vier oder fünf Jahren  haben wir uns echt hassen gelernt. Ich weiß nicht warum, aber wir haben uns gesehen und sofort nicht gemocht. Junay wollte immer im Rampenlicht stehen, aber ich hab ihn nie beachtet. Deswegen haben wir uns wahrscheinlich auch immer geprügelt.", lachte Shan verbittert. "Aber jetzt ist Schluss mit mir. Was ist mit dir?"
"Na ja...", grinste Nay und erzählte: "Ich komme aus Eshantu, die Hauptstadt von Rilm. Luca und ich kennen uns schon seit unserer Kindheit und wir haben uns oft gegenseitig besucht. Meist kam sie zu mir und wir haben bis abends gespielt oder Spass gehabt. Dann wurde ihr Vater auf einmal krank und Luca wollte ihn kaum alleine lassen. In der Zeit erzählte sie mir auch schon von diesem Reon, der immer öfter bei ihnen aufkreutzte. Na ja, und dann starb eben ihr Vater und kurz darauf verschwand ihre Mutter. Und Luca kam zu Reon."
Eine Weile schwiegen sie, dann fragte Shan: "Und du?"
Nay sah ihn verwirrt an. "Was meinst du?"
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