Die Wahrheit, die reine Wahrheit und nichts als die Wahrheit
Nichts zieht so sehr und lockt die Massen an wie eben diese. Ein Beispiel. Stellen wir uns vor, wir würden uns jahrelang fragen, was die Verkäuferin im Rewe an der Oberlippe hat. Ist es nun eine Blutblase oder doch nur eine simple Warze? Warum zum Teufel lässt sie es nicht wegmachen? Oder ist sie etwa so schamlos, das nötige Selbstbewusstsein zu besitzen, offensiv damit umzugehen?!
Nun stehen wir also an der Kasse, kaufen Röstbrot und Schinken und der Herr vor uns wirft diese eine Frage in den Raum, welche die Schlange von Einkaufswagen alltäglich von 9:30 bis 20:00 bewegt:
"Verzeihen Sie, aber jedes Mal, wenn ich Sie sehe, frag ich mich, was Sie da eigentlich für ein hässliches Viech an Ihrer Oberlippe haben..."
Oh, wie genüsslich würden wir diesen Satz aufnehmen! Wir müssten uns zurückhalten, nicht laut zu applaudieren, nichts erregt unsere schadenfrohen Sinne so sehr, wie die eigenen Gedanken zu hören, ausgesprochen von einem Mund, der mutiger ist als der eigene! Gewiss, wir wären dem Anschein nach empört über so viel Dreistigkeit. Der Verstand sagt uns, dass es auch einen selbst erwischen könnte, um uns dann doch am Abend Sendungen wie TV Total anzuschauen, die gelernt haben, aus eben genau dieser dunklen Leidenschaft Profit zu schlagen. Heute, da der Seelenstrip keine Sau mehr hinterm Ofen hervorlockt ("Ich schaue mir keine Talkshows an, die sind mir zu primitiv") greifen wir auf das gute alte Prinzip des Prangers zurück. Man stopft abends Alkohol und Fett in sich hinein und freut sich nen Keks, dass es Menschen gibt, die andere zur Schau stellen. Ich liebe es, mich an jemandem hochzuziehen, dem es noch schlechter geht als mir. So blüht also die Comedy, in der Menschen verwurstet werden. Metzger wie Stefan Raab hatten dabei die letzten Jahre Hochkonjunktur. Der Schlachter ist kein schlechter und tut auch nur seinen Job. Und Ehrlichkeit ist eine Tugend.
Shriekback