Er führte Luca in einen kleinen Raum, in dem mehrere Regale mit verstaubten Büchern standen. Er knipste die Lampe an und sagte: "Hier kommen nicht oft Leute her. Sehen Sie sich ruhig um. Und sagen Sie mir Bescheid, wenn Sie Hilfe brauchen."
Luca bedankte sich freundlich und machte sich sogleich an die Arbeit. Sie ging wie in den Archiven vor und arbeitete sich systematisch durch die Regale durch.
Stunden später brachte ihr der nette Bibliothekar eine heiße Suppe und etwas Brot. Danach kam er mit einem Tee und Luca bedankte sich überschwänglich.
"Nun ja. Ich interessiere mich sehr für alte Schriften und begrüße es immer wieder, wenn sich jemand für die Sprachen und Schriften interessiert. Aber es interessiert kaum jemanden. Und jemanden in Ihrem Alter habe ich hier noch nie gesehen!"
Luca lächelte und löffelte vorsichtig ihre heiße Suppe.
"Suchen Sie denn was bestimmtes?", fragte der Mann und fuhr über den Titel des Buches, das auf dem Tisch lag.
"Allerdings.", rief Luca. "Ich suche ein Buch über die alte Schrift. Vielleicht ein Wörterbuch oder so etwas ähnliches."
"Hmm... warten Sie mal.", murmelte der Herr und fuhr die Regale entlang. Er zog fünf oder sechs Bücher heraus und legte sie vor Luca auf den Tisch.
"Das sind einige Bücher, die so ähnlich wie Wörterbücher sind.", erklärte er und Luca sah die Bücher interessiert durch.
"Kann ich die mit ins Hotel nehmen?", fragte sie und versicherte sofort: "Ich bringe sie auch ganz sicher morgen früh zurück!"
"Aber gerne. Ich vertraue Ihnen. Nehmen Sie die ruhig mit. Aber ich hätte sie gerne morgen zurück!", lächelte der Mann und Luca nickte eifrig. Dann nahm sie die Bücher alle auf den Arm und bedankte sich nochmal. Schließlich wankte sie aus der Bücherei auf die Straße.

Shan war schon früher vom Fest abgehauen, als die anderen. Er hatte die drei direkt am Eingang verloren und war schließlich allein durch die überfüllten Gänge geschlendert. Überall gab es exotische Köstlichkeiten zu essen und hier und da trällerte eine Liveband ein Lied. Für
kleine Kinder gab es ein Karussell und andere Spiele und es tummelten sich hunderte von Leute an den Buden.
Nachdem Shan etwas gegessen hatte, war er ein wenig an den Buden entlang spaziert, hatte jedoch schnell die Lust verloren und sich auf den Heimweg gemacht. Als er ein wenig vom Fest entfernt war, atmete er tief durch und blieb einen Augenblick stehen. Dann ging er eilig weiter, bis er in einer Nebenstraße ein Mädchen entdeckte, das ziemlich viele Bücher mit sich trug.
Nach näherem Hinsehen erkannte er Luca, der gerade ein Buch auf die Straße gefallen war. Er lief eilig hin und hob es auf.
Luca drehte sich zu ihm um und lächelte, als sie ihn erkannte.
"Shan!"
Er nahm ihr vier weitere Bücher ab und sie gingen langsam weiter.
"Wo sind denn die anderen?", fragte Luca nach einer Weile.
"Die sind noch auf dem Fest. Ich hab sie eben verloren. Dann hatte ich keine Lust mehr.", erklärte Shan und fragte: "Hast du die Bücher in den Archiven oder in der Bücherei gefunden?"
"In der Bücherei. Nachdem ich in den Archiven nichts gefunden habe, bin ich zur Bibliothek gegangen und da hat mir ein netter Mann weitergeholfen. Er hat mir erlaubt, die Bücher hier mit zu nehmen und im Hotel weiterzulesen.", antwortete Luca gutgelaunt.
Sie liefen den Weg schweigend zurück zum Hotel, wo Shan Luca die Bücher in ihr Zimmer brachte und sich dann in sein Zimmer verzog. Luca setzte sich aufs Bett und fing an, die Bücher durchzuarbeiten.
Nach etwa einer halben Stunde hörte sie Rufen und Kichern auf dem Flur und eine Sekunde später kam Junay hereingetorkelt.
Nay und er waren voll bis oben hin, nur Mio war noch nüchtern. Sie war schließlich noch ein Kind.
"Hach, mir geht es so verdammt gut!", grölte Junay und ließ sich aufs Bett fallen. Dabei schmiss er die Bücher runter, die mit lautem Getöse auf dem Boden lagen.
"Vorsicht!", rief Luca bestürzt und sammelte die Bücher ein. Dann schloss sie die Türe und setzte sich in den Sessel. Junay streckte sich auf dem Bett aus und grummelte: "Ich will schlafen. Mach doch mal das Licht aus."
"Aber...", wollte Luca protestieren, dann nahm sie jedoch stumm ihre Bücher, knipste das Licht aus und verließ den Raum. Sie hörte noch, wie Junay schnarchend einschlief und klopfte an Shans Zimmertür.
Shan öffnete ihr sofort und sie trat ins Zimmer.
"Was ist los?", fragte er besorgt und sie legte die Bücher auf seinem Bett ab.
"Junay... er ist sturzbetrunken. Er wollte schlafen, aber ich muss noch weitersuchen. Da hab ich gedacht, ich könnte hier bleiben.", murmelte Luca verlegen und Shan lächelte.
"Klar doch. Ich helfe dir auch gerne suchen."
"Danke!", rief Luca erleichtert und setzte sich aufs Bett. Shan nahm sich ein Buch und setzte sich in den Sessel.
Eine ganze Weile blätterten sie schweigend in den Büchern, nahmen neue, blätterten weiter und sprachen kein Wort, bis Luca auf einmal leichenblass wurde und leise sagte: "Shan!"
"Ja?" Shan sah auf.
"Ich... ich hab es gefunden.", flüsterte sie und schluckte.
Shan stand auf und setzte sich neben sie aufs Bett. Er fuhr mit dem Finger die Wörterliste entlang und stoppte bei dem Wort Hoffnung.
Da stand: Hoffnung- Luca"
Shan konnte es nicht glauben und las immer wieder diese beiden Wörter. Schließlich flüsterte Luca leise:
"Ich... ich bin die Hoffnung..."
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