Erstmals seit 2008 habt ihr auch wieder von mir eine Liste zu erwarten, immerhin habe ich das Ganze jetzt endlich mal wieder katalogisiert und auch genug gehört, um eine Top 30 zusammenzustellen. Ob sie euch großartig weiterhilft, ist allerdings eine andere Frage, sehr hoch dürfte die Neuentdeckungsdichte nicht sein. Aber was soll's. Ich werde die Platten jetzt nicht zerlegen, bis nichts mehr übrig bleibt, stattdessen gibt es oberflächliche Kurzkommentare.
1. Dead Can Dance - Anastasis
Auf die Kritikpunkte anderer bin ich ja schon einmal ausführlich eingegangen. Mir bleibt nur noch zu sagen: Großartiges Lebenszeichen, die Dreierkette "Kiko"-"Opium"-"Return of the She-King" ist die beste Passage auf einem neuen Album, der ich seit Ewigkeiten begegnet bin.
2. Grimes - Visions
Und dann war die Stimme doch nicht mehr so schlimm. Nüchtern betrachtet vielleicht nur eine 24-jährige, lispelnde Micky-Maus-Reinkarnation, die über billigem DIY-Düsterelektro singt. Das aber so kreativ und charmant, dass man beinahe in die Lobeshymnen mit einfallen möchte, die sie zur Retterin des Pop hochstilisieren.
3. Wovenhand - The Laughing Stalk
Was sich seit "Mosaic" angedeutet hatte, wurde nun Wirklichkeit: Wovenhand sind zur harten Rockband geworden, und Edwards schuf mit ihr die intensivste Katharsis, die er je zusammengebracht hat, auch wenn er es in seiner Frühphase bis zum unerreichten Meisterwerk "Consider the Birds" wohl eher nicht darauf angelegt hatte. Willkommen zurück in der Bestform!
4. KTL - V
Rehberg und O'Malley haben ihren herrlichen Drone-Ambient-Noise-Gebilden doch noch etwas hinzuzufügen, nämlich Jóhann Jóhannsson und ein Orchester. "Phill 2" ist mein neuer Lieblingstrack aus ihrer Feder, und "Last Spring: A Prequel" versetzt mich immer noch immer wieder latent in Angst und Schrecken.
5. Beach House - Bloom
Diese Dream-Pop-Kritikerlieblinge aus Baltimore haben hiermit ihr bisheriges Meisterwerk abgeliefert, wenn man mich fragt. Im Prinzip nur bestehend aus dem überlebensgroßen "Myth" und zehn Songs, die nicht ganz so überlebensgroß sind, aber trotzdem immer wieder aufs Neue ein Vergnügen.
6. Jessie Ware - Devotion
Newcomerin des Jahres - die Britin und ihre Helferlein stellten ein äußerst ausgefeiltes Popalbum auf die Beine, das sein Understatement und seine Unterkühltheit sehr konsequent durchzieht, ohne dabei in Sade-Schlafmittelregionen vorzudringen, die Vergleiche fallen ja desöfteren. "Wildest Moments" ist vielleicht der Popsong des Jahres.
7. Anna von Hausswolff - Ceremony
Die junge schwedische Architektin und Musikerin kam nach ihrem Debut auf die tolle Idee, das Klavier durch eine ausgewachsene Kirchenorgel zu ersetzen und noch ein paar Droneelemente einzubauen. Das über einstündige Resultat mit Stücken von bis zu achteinhalb Minuten wandelt auf Spuren von Nico und Soap&Skin, aber nicht ohne seine totale Eigenständigkeit zu bewahren.
8. How to Dress Well - Total Loss
Tom Krell stellte diesmal den R&B in den Vordergrund, seine wolkenverhangene Kunstmusik verlor dadurch allerdings nur ein unwesentlich klein wenig von ihrer Faszination. Das Album ist ja gewissermaßen als Selbsttherapie nach einigen Schicksalsschlägen im Umfeld des Künstlers zu verstehen, was das alles noch ein gutes Stück eindringlicher macht.
9. Gravenhurst - The Ghost in Daylight
Endlich wieder ein neues Werk von Nick Talbot! Und dem Himmel sei Dank reiht es sich qualitativ nahtlos in die Reihe der drei durchweg hochwertigen Vorgänger ein. Nach intimem Folk, Progrock und kompakterer Rockmusik nun also wieder etwas Folklastigeres, ohne die E-Gitarre gänzlich einzumotten, mit latenten elektronischen Einsprengseln versehen. Die Streicher in zweiten Teil von "The Prize" waren der erhabenste Moment des Musikjahres.
10. Horseback - Half Blood
Was Jenks Millers Schaffen angeht, war ich ja immer ein großer Freund seiner psychedelischen, iterativen Post-Prog-Sludge-Stoner-Gemische mit dem Black-Metal-Gekreische, so wie es v.a. auf seinem Meisterwerk "The Invisible Mountain" zu finden war. Auch Ambient und Noise haben sich auf seinem letzten Album allerdings sehr breitgemacht. Das allerdings auch wieder auf sehr hohem Niveau, nach einiger Gewöhnungszeit.
11. Divorce - Divorce
Richtig bösartige, hässliche Unmusik irgendwo an der verschwommenen Grenze zwischen Noise und Noiserock. Aus Glasgow. Mit einer wildgewordenen Furie am Mikrofon. Herz, was willst du mehr?
12. Converge - All We Love We Leave Behind
Die amerikanischen Fachleute für so ziemlich jede vom Punk ableitbare Disziplin, die mit "-core" aufhört, rund um Jacob Bannon lieferten auch in diesem Jahr wieder Überzeugendes ab. Ein triftiges Argument für die Faszination des Lärms.
13. Moon Duo - Circles
Das Wooden-Shjips-Nebenprojekt mit den endlosen Psychedelic-Rock-Klangschleifen und den vielen Gitarrensoli machte dieses Jahr in Wien Halt, und ja, natürlich ist es möglich, dass dieses wunderbare Konzert mich etwas emotionalisiert hat, was diese Platte angeht. Aber mein Gott, sie ist ja ohnehin fast so gut wie die tolle "Mazes".
14. Japandroids - Celebration Rock
Ein Duo reicht in diesem Falle vollkommen aus, um die Faszination roher, handgemachter Rockmusik in großer Intensität zum Hörer zu transportieren. Eher ins Lärmig-Punkige gehende Kompositionen, die die Lebensgeister wecken wie kaum etwas anderes in diesem Jahr.
15. Advance Base - A Shut-In's Prayer
Owen Ashworth. Fast sowas wie ein kleiner Held. Jedenfalls seit "Etiquette", der Platte, die er 2006 mit seinem ehemaligen Projekt Casiotone for the Painfully Alone herausbrachte. Der LoFi-Approach hat sich seitdem etwas zurückgebildet, die nicht unbedingt sauteuren Keyboards sind allerdings geblieben. Sehr entspannende Songs mit Charme und diesem leichten melancholischen Anstrich. Man lehne sich zurück und lausche.
16. Swans - The Seer
Ich gebe es offen zu, wirklich oft habe ich dieses schweißtreibende Monster von einem Doppelalbum nicht gehört. Was ich allerdings mitbekommen habe: Ein klaffender musikalischer Abgrund ist das, ein ewiges lärmiges Gedröhne mit endlosen Mammutkompositionen. Aber wirklich herrlich.
17. Meshuggah - Koloss
Naja, ja, nichts wirklich Neues, nicht? Meshuggah haben spätestens mit ihrem für mich bis dato unerreichten "Catch 33" die von ihnen geschaffene Nische mehr als ausgelotet. Hinweise auf "obZen", dass sie sich ein wenig zum Jazz hinwenden könnten, haben sich nicht bewahrheitet. Aber das Niveau, auf dem sie operieren, ist nach wie vor sagenhaft.
18. Flying Lotus - Until the Quiet Comes
Mit dem neuen Werk von Steven Ellison gab mir persönlich sogar noch ein klein wenig mehr als der vielgerühmte Vorgänger "Cosmogramma", weil Ellison seine mosaikhaften Elektrokonglomerate mehr denn je wie aus einem Guss wirken ließ und "Until the Quiet Comes" so einmal mehr zu einem einzigartigen Hörerlebnis werden ließ.
19. Nihill - Verdonkermaan
Die Niederländer von Nihill präsentierten ihr längst überfälliges Finale der mit "Krach" und "Grond" begonnenen Trilogie auf Hydrahead. Einmal mehr wunderbar atmosphärischer, kaputter Black Metal mit Dark-Ambient-Einsprengseln, der qualitativ nur haarscharf an "Krach" vorbeischrammt, für mich nach wie vor dem Höhepunkt der drei.
20. Wovenhand - Live at Roepaen
Auch ein Live-CD+DVD-Gespann konnte man sich von David Eugene Edwards diesmal ins Regal stellen, und am Livesound sieht man wieder einmal, was für ein logischer Schritt die Weiterentwicklung zu "The Laughing Stalk" war. Vielleicht gelegentlich etwas zu langgezogen-plätschrig, vor allen die 16-Horsepower-Bearbeitungen, aber nichtsdestotrotz absolut hochklassig.
21. Nils Frahm - Screws
Nachdem sich der Berliner Pianist bei einem unachtsamen Manöver den Daumen gebrochen hatte, wurde der Knochen mit Schrauben versehen, daher der Name. Doch statt seine Hand zu schonen, wie vom Arzt gefordert, nahm Frahm nach "Felt" ein weiteres Album mit wunderhübsch reduzierter Klaviermusik auf. Selbst gehandicappt lässt Frahm einen Löwenanteil meiner diesjährig gehörten Platten hinter sich.
22. Soap&Skin - Narrow
Nun, "Lovetune for Vacuum" it is not. Und ich habe nach wie vor keine Ahnung, was ich von "Vater" halten soll, dem tragenden Stück, das Anja Plaschg ihrem verstorbenen, nun, Vater gewidmet hat. Aber ihre elektronisch unterstützten Teenage-Angst-Soundtracks sind nichtsdestotrotz immer noch schön anzuhören, auch wenn "Marche funèbre", "Mr. Gaunt Pt 1000" und "DDMMYYYY" wohl meine Lieblingsstücke von ihr bleiben werden.
23. Ulver - Childhood's End
Nach dem, sagen wir einmal, "nur" guten "Wars of the Roses" ist dieses tolle 60s-Coveralbum sicherlich wieder ein Schritt in die richtige Richtung gewesen, vom Vorvorgänger "Shadows of the Sun" ist das hier aber intensitätsmäßig immer noch Lichtjahre entfernt. Wie zulässig der Vergleich auch immer sein mag.
24. Brother Sun, Sister Moon - Brother Sun, Sister Moon
Denovali, ein Label, das ich immer noch näher auskundschaften muss, hatte wieder einmal einen ganz guten Riecher. Ziemlich avantgardistische Popmusik, irgendwo zwischen zartem Folk und Dream-Pop, leicht elektronisch aufgemotzt. Und es funktioniert.
25. Storm Corrosion - Storm Corrosion
Mikael Åkerfeldt und Steven Wilson haben sich zusammengetan, um ein Album mit ausladenden, progressiven Folkkompositionen aufzunehmen. Fast ein wenig zu ausladend, aber die Routine der beiden alten Füchse scheint regelmäßig durch. Ein sehr gutes Album, das einmal mehr die große stilistische Offenheit dieser talentierten Herren demonstrieren konnte.
26. Neurosis - Honor Found in Decay
Die Sludge-Instanz hat in diesem Jahr sicherlich nicht ihr Glanzstück abgeliefert, aber wenn man Neurosis denn mag, wenn man ihren Sound und ihre Ästhetik mit dem spirituellen Anstrich schätzt, macht man wohl auch hiermit wieder wenig falsch.
27. Christian Löffler - A Forest
Nein, Xhi, das hat nichts mit dem The-Cure-Song zu tun, dessen Cover von Carpathian Forest angeblich besser sein soll.

Das ist irgendein Minimal-Tech-Ambient-Techno-House-Gemisch. Ein verdammt gutes.
28. Lana Del Rey - Born to Die
Die Kunstfigur des Jahres und ein eigentlich keineswegs unhörbares Mainstream-Popalbum. "Video Games" und "Born to Die", die ich mir vor etwa einem Jahr bereits halbtot gehört habe, waren nur leider auch schon die besten Songs hierauf.
29. Light Asylum - Light Asylum
Die Retro-Semi-Goth-Elektroniker Shannon Funchess und Bruno Coviello konnten die Erwartungen, die sie mit der "In Tension"-EP schürten, leider nicht gänzlich erfüllen. Trotzdem findet sich auch hier mit Stücken wie dem brachialen "Pope Will Roll", der 80er-Yazoo-Hommage "Angel Tongue" oder dem dramatischen Liebeslied "Shallow Tears" wahrlich Hochklassiges.
30. Leonard Cohen - Old Ideas
Satte acht Jahre nach dem grauenhaften 99-Cent-Gewürge "Dear Heather" kommt Cohen nun doch noch mit etwas um die Ecke, das man mit Fug und Recht als würdiges Alterswerk bezeichnen kann, auch wenn seine Stimme langsam endgültig Frequenzbereiche erreicht hat, die für den Menschen bislang als unerreichbar galten. Herausragend der Bluesrock von "The Darkness" wie auch die Klavierballade "Show Me the Place", und auch der Rest kann sich hören lassen.
Außerdem gefielen:Amber - Amber
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Mohn - Mohn
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Skarab - Skarab
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Tu Fawning - A Monument