Lemieux hat geschrieben:
Man geht zum Arzt, weil man sich um seine Gesundheit sorgt, man arbeitet, um sich an den Moneten zu ergötzen, usw. Aber was ist das letzte Ziel menschlichen Strebens, worin besteht das Grundwollen des Menschen? Der Hedonismus antwortet darauf bekanntlich: was wir im Grunde wollen, ist Lustgewinn und Unlustverminderung: Wohlgefühl, Wellness als die höchsten Ziele menschlichen Strebens. Dazu folgendes Gedankenspiel: Man stelle sich einen Menschen vor, der unter Narkose auf einem Operationstisch festgeschnallt ist: durch verschiedene Drähte, die in seinen Schädel eingeführt wurden, werden bestimmte Hirnareale derart angeregt, dass dieser Mensch in einen Zustand der Dauereuphorie versetzt wird, des anhaltenden Wohlgefühls. Nach Erreichen eines achtbaren Alters wird man ihn schließlich auf schmerzlose Weise sterben lassen. Nun stelle man sich die Frage, ob man bereit wäre, sich in diesen Zustand versetzen zu lassen.
Dem Hedonismus zufolge müsste man sich ebendazu entscheiden. Was aber folgt aus der Abneigung (wovon hier einfach ausgegangen wird), sich auf dieses Angebot einzulassen? Resultiert sie nicht vorrangig daraus, dass der besagte Mensch sich eben außerhalb der Realität befindet? Hieße das, dass Menschen über den Lustgewinn hinaus nach Realität, Wirklichkeit, Wahrheit streben? Anders gefragt: beinhaltet der Film "The Matrix" eine Widerlegung des Hedonismus?
Ich glaube, du deutest den Hedonismus etwas zu simpel.
Zumindest in seiner epikureischen Spielform spielt ja noch die antike Tugend des Maßhaltens eine große Rolle.
Dauereuphorie wäre demzufolge kein erstrebenswertes Ziel, da es nun nicht mehr maßvolles Genießen bedeuten würde, und sich dadurch vor allem eine Gewöhnung einstellen würde, wodurch das Glück irgendwann nicht mehr so glückselig wird. Schon Heraklit (*großväterchenmodus) hat ja drauf hingewiesen, daß es nie das Gute ohne das Schlechte gibt.
Der Epikureer soll nach seinem Glück trachten, aber auch in dieser Suche selbst kann Erfüllung liegen. Naja gut, ob die Epikureer so buddhistisch angehaucht waren, weiß ich nicht, ich versteh das allerdings so.
Die noch dringendere Frage ist aber überhaupt: Wenn der Hedonismus nicht Sinn des Lebens ist, muß die Schlußfolgerung denn wirklich lauten, daß etwas anderes Sinn des Lebens ist? Oder gibt es vielleicht auch überhaupt gar keinen? Also nicht einmal einen selbstgeschaffenen - gar keinen? Wie definieren wir diesen "Sinn" denn überhaupt, und ist das nicht eine irgendwie so absurd nach Objektivität, Absolutheit und Ewigkeit schreiende Kategorie, daß sie zumindest mit einer (mir sehr eigenen) postmodernen Denkweise unvereinbar ist? Und noch weiter gefragt: selbst gäbe es diesen Sinn des Lebens - sind die Menschen wirklich so frei in ihrer Handlungsweise, daß sie es überhaupt schaffen könnten, zu diesem zu finden? Oder sind wir nich vielleicht doch nur Maschinen, die so funktionieren, wie die Gene und die soziale Umgebung sie programmiert haben, und deren Aktionen im Prinzip ganz und gar sinnlos, nur zufällig sind?
Wäre die Dauereuphorie der anzustrebende Sinn des Lebens, alle theoretischen Bedenken, die ich jetzt erwähnt habe, außen vor gelassen, dann ist es doch immer noch problemlos möglich, daß wir uns nur gegen diesen Zustand wehren, weil wir es nicht besser wissen. Oder können.