Das Thema, das angeschnitten wurde, macht mich selbst zum Exempel: Ich habe absolut nicht die geringste Ahnung von Ökonomie, ich weiß auch wenig von Politik, in dieser Hinsicht bin ich wirklich weltfremd. Dann lese ich einen Satz wie Xhi ihn geschrieben hat, von den 34.000 Kindern, die täglich an den Folgen von Unterernährung sterben, obwohl die uns verfügbaren Ressourcen 12 Milliarden Menschen zu ernähren imstande wären, und mir dreht sich der Magen um. Genau darum geht es mir: jetzt treffen sich nämlich die beiden Themen "Weltfremdheit und die Verantwortung zur persönlichen Bildung" und die Debatte um die Möglichkeit, die Welt nach unseren Mitteln zu erfassen, ohne sich dabei von der Gesellschaft zum Fachidioten ausbilden zu lassen und dadurch wiederum ein hohes Maß an Weltfremdheit in Kauf zu nehmen. In solchen Momenten fühle eine Ohnmacht gegenüber den herrschenden Gesellschaftsstrukturen, und zwar hinsichtlich dem Bildungsweg, den ein Mensch heute zu gehen hat. Und das spüre ich selbst am eigenen Leib: ich studiere gezwungenermaßen auf Bachelor, das Studium lässt durch die größere Stoffvermittlung in kürzere Zeit und den sonstigen Umstrukturierungen viel weniger Freiraum, viel weniger Zeit, aber um derlei Details soll es hier nicht gehen. Wie aber kann jemand in meiner Lage die obigen erwähnten Defizite ausgleichen? Ich spüre die Dringlichkeit zu handeln, bin zugleich jedoch nicht imstande die Thematik zu überblicken, nicht imstande rationale Entscheidungen zu treffen, von denen ich selbst überzeugt bin; in dem von der Gesellschaft vorgeschriebenen Bildungsweg, der meinen Neigungen und persönlichen Vorlieben entspricht (nämlich: dem Studium für das ich mich entschieden habe; aber auch schon früher: die Art, auf die Schule organisiert ist), ist es nicht vorgesehen, einen Menschen auszubilden, der die Entwicklungen, die sein Leben bestimmt, halbwegs zu überblicken imstande ist. Dazu passt folgendes:
Fryie hat geschrieben:
Trotzdem plädiere ich dafür, daß es immer noch Leute geben muß - wohl einige wenige, engagierte -, die die Dinge in ihrer Gesamtheit zumindest ansatzweise überblicken sollten. Die verstehen sollten, wie alles zusammenhängt. Ansonsten fehlen die Kräfte, die dies alles koordinieren und zusammenhalten und wir haben einen Haufen Fachidioten, die keine Ahnung haben, wie sie ihr spezialisiertes Wissen überhaupt zur Anwendung bringen sollten.
Und mit der Spezialisierung darf man es auch im wissenschaftlichen Umfeld nicht übertreiben. Es ist ein Irrglaube, daß Phänomene auf dieser Welt isoliert betrachtet werden könnten - und genau deswegen ist es nötig, zumindest einen Überblick über benachbarte Disziplinen zu haben und sich mit deren Forschungsgeschichte ebenfalls ein wenig auseinanderzusetzen.
Xhi hat geschrieben:
Ich finde, die Menschen sollten sich über das informieren, was ihr Leben bestimmt, was ihre Existenz definiert, oder besser gesagt, was ihnen versucht zu diktieren, wie ihre Existenz definiert ist, darauf kommt es an. [...] Also ja, ich finde definitiv, dass ein Mensch, der sich ausschliesslich auf sein Leben konzentriert, seine Arbeit möglichst gut verrichten will, seine sozialen Kontakte pflegen möchte, seinen Drang nach materiellem Besitz befriedigt etc. etc. und dabei nicht einmal einen Blick um sich herum wirft und nicht bemerkt, was sein Leben eigentlich wirklich bestimmt und warum sein Leben so ist, wie es ist, als absolut weltfremd zu bezeichnen ist.
Damit ist klar, dass ich daran zweifle, dass der heutige Bildungsweg (in Ermangelung eines besseren Wortes), der sich zugegebenermaßen in Jahrhunderten langsam herauskristallisiert hat, nämlich die Durchsetzung des Spezialistentums, imstande ist, einen mündigen Bürger heranzubilden, der imstande ist, Gesellschaft, Kultur, Wissenschaft in einer derart komplexen Welt (die Komplexität halte ich nicht für eine Illusion) wie sie sich der Mensch bis heute geschaffen hat, zu überblicken, zu hinterfragen, zu reflektieren und letztlich Entscheidungen zu treffen.