"Ich hatte also Recht. Du bist ein Spieler." Ian runzelte die Stirn. "Also?" "Ich war grad auf dem Weg zum alten Fabrikgelände als diese beiden Typen aufgetaucht sind ..." "Du hast also auch so ne komische Message bekommen? Unreal. Lass mal sehn.", forderte Ian. Nina wich einen Schritt zurück. "Nein! Das ... das geht nicht." "Was? Erzähl nicht. Na komm." "Wir haben keine Zeit für sowas! In sieben Minuten läuft der Countdown ab und dann sind wir beide geliefert!" Einen Moment lang dachte Ian darüber nach woher dieses Mädchen wusste, dass es nur noch sieben Minuten waren, denn die nächstgelegene Uhr war in ihrem Rücken und nur Ian hätte sie lesen können.
"Lass mal sehen.", forderte Nina auf und griff nach Ians Hand. Sie drehte sie, sodass sie seine Handinnenfläche sehen konnte und stöhnte leise auf. "Mh ... also wirklich. Kein Zweifel." Ian schrie auf. Er riss ihr die Hand aus der ihren und starrte darauf. In seiner Handinnenfläche leuteten rote Zahlen, die zusammen 6:32 ergaben. 6:31. 6:30. "Scheiße! Was hast du mit mir gemacht?!", schrie er sie an und griff panisch nach ihrer Hand um sie sich genauer anzusehen. "Is ja nicht wahr, du hast auch son Ding!" "Das ist dir nicht aufgefallen? Du hast den Timer schon seit fast zehn Minuten in der Hand." "Wirklich? Boah, ich bekomme echt gar nichts mehr mit." "Retard.", flüsterte Nina und drehte sich um. Der Timer zeigte 6:11. "Uns bleibt wirklich keine Zeit mehr dafür, wir müssen uns sofort auf den Weg machen!", rief Nina und begann sich in Bewegung zu setzen. "Wa ... warte! Du meinst ich werde das Ding los wenn ich mich auf diesem Parkplatzding sehen lasse?", fragte Ian. "Was weiß ich? Jedenfalls kommst du dann nicht um!" Ian begann Nina hinterher zu rennen und knappe fünf Minuten später hatten sie den Parkplatz erreicht.
Ein großer Zaun aus breitem Maschendraht, dessen oberer Rand von Stacheldraht umzäunt war, lag als einziges Hindernis zwischen ihnen und dem Treffpunkt. "Kommen wir da heil rüber?", fragte Ian unsicher. "Nein. Aber ich glaube es geht hier nicht wirklich darum heil auf der anderen Seite anzukommen. Der Zaun steht hier noch nicht lang.", antwortete Nina knapp. "Du kennst diesen Ort?" Ian zweifelte einen Moment lang daran, dass sie beide die selbe Art Spieler waren von der dieses Mädchen sprach. "Habe ich nicht gesagt.", antwortete sie und begann sich hastig umzusehen. "Da! Dort drüben ist ein Loch im Zaun, da können wir durch. Die beiden spurteten zur offenen Stelle und betraten den Parkplatz bei 0:23. Ian riss sich das Hosenbein am Knie eine Hand breit auf, als er an einem losen Stück Draht hängen blieb, folgte Nina aber dicht und unbeschadet auf.
Ein Moment der Stille verstrich. Kein Wind fegte über den leeren Platz, kein Vogel zwitscherte. Keine Kranken- oder Polizeiwagensirene heulte durch das Viertel, kein Kind schrie, kein Ghettoblaster dröhnte in ihren Köpfen. "Haben wir ... haben wirs geschafft?", fragte Nina unsicher. Sie sah Ian hoffnungsvoll an, ergriff seine Hand, wobei Ians Wangen sich ein wenig röteten und hielt dann schlagartig den Atem an, als plötzlich ein Sturm auf dem Parkplatz losbrach. Er kam so plötzlich wie ein Blitzschlag und war so heftig wie ein Hurrikane. Zeitungspapier und leere Pappbecher wurden durch die Luft geschleudert. Laub und Dreck wirbelte um sie herum. Die Titelseite des Secondview Magazine klatschte Ian ins Gesicht und flatterte dort einen Moment lang zittrig im Wind, ehe er sie sich mit einem Fluch aus dem Gesicht riss. Nina wollte innerlich auflachen, konnte es aber nicht. Sie war zu fasziniert von diesem plötzlich hereinbrechenden Wetterphänomen.
Sie schloss die Augen einen Moment um sie vor dem Staub zu schützen der ihr wie eine Welle entgegengeschleudert wurde und sich an ihr brach. Als sie sie wieder öffnete, stand ein hochgewachsener Mann vor ihr. Es war nicht Ian und auch niemand, den sie zuvor in ihrem Leben getroffen hatte. Ian schob sich zwischen die beiden um Nina in Schutz zu nehmen und zog die Augenbrauen zu einer wütenden Grimasse zusammen, während er die Zähn fletschend zusammenbiss. "Easy Little John.", sprach die männliche Gestalt, die Ian um einen ganzen Kopf überragte in einem Tonfall, der eine Mischung aus Freude und Langeweile zu sein schien. "Ist heute nicht dein Tag, was?"
Ian schob Nina einen Schritt zurück und fauchte den Fremden dann wütend an. "Was machstn hier fürn Wind Goliath? Hast du einen an der Klatsche?" "Ich bin nicht gekommen um mich mit deinem kindischen Mundwerk auseinander zu setzen. Für dich ist jetzt erstmal Sense." Der Fremde zog mit dem Zeigefinger eine waagerechte Linie in die Luft und Ians Lippen schlossen sich unter solchem Druck, dass er sich beinahe auf die Zunge biss. "Muted. Und jetzt hört ihr beiden Hübschen schön zu." Nina war begeistert von Ians ritterlichem Verhalten aber dieser Jemand schien kein Spieler zu sein. Sie hatte schon bald keinen Zweifel mehr. Das musste "William Torchwood wenn ich mich vorstellen darf. Ihr dürft mich auch Billy nennen aber das ist albern. Belassen wir es bei William? Ja? Wunderbar. Wie ich sehe habt ihr es zum Parkplatz geschafft. Ist hübsch hier oder? Ich reiße dir gleich die Eier raus und stopfe sie dir in deine dämliche Fresse, dachte Ian vor Wut schäumend.
Von einem Moment auf den anderen schien der Mann ein vollkommen anderer zu sein. Seine blonden Dreadlocks formten sich in kurzes, schwarzes Haar, seine graublauen Augen wurde weiß und seine Adern schienen plötzlich fast doppelt soviel Blut zu transportieren wie zuvor. "Ihr habt euer Leben weggeschmissen ohne es zu merken. Und darum verdient ihr beide den Tod. Jeder tut das. Ihr wart euer Leben lang gesund, ihr hattet die Chance auf ein normales Leben. Ein Leben in Freude und Glanz aber ihr habt euch für die dunkle Seite, für die rostrote Seite des Lebens entschieden. Kein Duft von Honig und Rosen wird an euch haften sondern der Gestank von verfaulendem Fleisch und altem Urin und Motoröl, das in der Sonne verrottet." Nina schluckte schwer und hielt sich eine Hand an den Hals, als ihr die Übelkeit emporstieg, doch sie gewann den Kampf. "Niemand wird euch vermissen. Ihr werdet vergessen werden und alle Ewigkeit zu Füßen des kahlen Königs liegen, während sich die Würmer in euer Fleisch graben und sich eure Augäpfel mit Fliegenlarven füllen. Warum? Warum könnt ihr Menschen eure erste Chance nicht nutzen?" William schüttelte den Kopf. "Die Aufgabe für heute was dieses Treffen. Ihr habt mit eurem Gelingen das Leben der anderen Spieler gerettet. Das alles war nur ein Test. Morgen früh beginnt das wahre Spiel. Bis dahin könnt ihr tuen und lassen was ihr wollt. Stellt euren Wecker auf sechs Uhr Kinder, der nächste Tag wird die Hölle!!" William begann bellend zu lachen. Dann setzte der Sturm wieder ein und einen Augenblick später war er verschwunden. Nina blickte auf ihre Handfläche. Der Timer war verschwunden.
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