Susanne Winter, 51, gelernte Zahnärztin, ist seit geraumer Zeit Stadträtin in Graz, der Hauptstadt der Steiermark und mit einer guten Viertelmillion Einwohner zweitgrößten Stadt Österreichs. Und zwar für die rechte Arbeiterpartei FPÖ (Freiheitliche Partei Österreichs), bei der so manches Mitglied bereits durch Verbindungen zu deutschnationalen Burschenschaften aufgefallen ist. Der Parteichef Heinz-Christian Strache musste gar nach Auftauchen brisanter Fotos von Wehrsportübungen zugeben, langjähriges Mitglied der rechtsextremen
Wiking-Jugend gewesen zu sein. Susanne Winters Sohn Michael hat erst letztens seine Position als Obmann der FPÖ-Jugendorganisation RFJ (Ring Freiheitlicher Jugend) aufgegeben, nach einer Verurteilung wegen Verhetzung, da er vorgeschlagen hatte, eine Schafherde im Grazer Stadtpark grasen zu lassen, um dort Vergewaltigungen durch muslimische Mitbürger vorzubeugen. Sie selbst ist bereits durch zahlreiche rassistische Äußerungen aufgefallen - die Tatsache, dass sie sich offen weigert, das Wort "Neger" aus ihrem Wortschatz zu streichen, ist noch eines der harmloseren Kapitel.
Winter ist bis jetzt völlig unbescholten. Das allerdings könnte sich am Donnerstag (22. Januar) ändern, denn da wird ihr wegen Verhetzung sowie Herabwürdigung religiöser Lehren nach langen Querelen der Prozess gemacht. Konkret wegen eines Zitates, das sie in ihrer Rede beim traditionellen FPÖ-Neujahrstreffen im Januar 2008 fallen ließ. Ein Vorfall, der ihr die Aufmerksamkeit zahlreicher internationaler Medien, mehrere Morddrohungen sowie einen gut zweimonatigen Personenschutz einbrachte. Video und Wortlaut:
[youtube]fZ56ycUr_Jo[/youtube]
Zitat:
In den letzten Jahren ist ein regelrechter muslimischer Einwanderungstsunami über Graz hereingebrochen. Überall werden gegen den Willen der Bevölkerung Moscheen errichtet. Wir, liebe Freunde, als FPÖ, sind die einzigen österreichweit, die diese zunehmende Islamisierung stoppen wollen. Und ich bin der Meinung, der Islam gehört dorthin zurückgeworfen, wo er hergekommen ist, nämlich jenseits des Mittelmeers. Aber ich persönlich frage mich: Ist denn alles das, was heutzutage eine Religion genannt wird, auch wirklich eine Religion? Schauen wir uns doch nur den Propheten Mohammed an: Er ist wohl eher als Feldherr zu bezeichnen. 66 Kriege, 27 hat er selbst davon angeführt. Den Koran hat er im Rahmen von epileptischen Anfällen geschrieben. Und - etwas, das mich als Frau besonders empört, und das ich immer wieder aufzeige und sage: Er als 50-Jähriger hat eine Sechsjährige, ein sechsjähriges Mädchen geheiratet. Im heutigen System ist dieser Mohammed ein Kinderschänder.
Sehen wir uns die betreffenden Paragraphen im österreichischen Gesetzbuch genauer an:
Zitat:
§ 188 StGB Herabwürdigung religiöser Lehren
Wer öffentlich eine Person oder eine Sache, die den Gegenstand der Verehrung einer im Inland bestehenden Kirche oder Religionsgesellschaft bildet, oder eine Glaubenslehre, einen gesetzlich zulässigen Brauch oder eine gesetzlich zulässige Einrichtung einer solchen Kirche oder Religionsgesellschaft unter Umständen herabwürdigt oder verspottet, unter denen sein Verhalten geeignet ist, berechtigtes Ärgernis zu erregen, ist mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten oder mit Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen zu bestrafen.
§ 283 StGB Verhetzung
(1) Wer öffentlich auf eine Weise, die geeignet ist, die öffentliche Ordnung zu gefährden, zu einer feindseligen Handlung gegen eine im Inland bestehende Kirche oder Religionsgesellschaft oder gegen eine durch ihre Zugehörigkeit zu einer solchen Kirche oder Religionsgesellschaft, zu einer Rasse, zu einem Volk, einem Volksstamm oder einem Staat bestimmte Gruppe auffordert oder aufreizt, ist mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren zu bestrafen.
(2) Ebenso ist zu bestrafen, wer öffentlich gegen eine der im Abs. 1 bezeichneten Gruppen hetzt oder sie in einer die Menschenwürde verletzenden Weise beschimpft oder verächtlich zu machen sucht.
Es gab meines Wissens in Österreich bisher kaum einen derartigen Fall, was bedeutet, dass dieses Urteil wegweisend sein kann, was den Umgang des österreichischen Staats mit Religionen angeht. Und ich glaube, wir müssen nicht großartig darüber diskutieren, ob Winter nun tatsächlich gegen diese Gesetze verstoßen hat, der Großteil passt da ja wohl wie die Faust aufs Auge. Kleine Anmerkung hierbei: Auch die niederländische Politikerin und Feministin Ayaan Hirsi Ali hat in einem ihrer Bücher durchaus zu ähnlichen Argumenten gegriffen. Ich möchte vielmehr - besonders im Falle von §188 - den Nutzen in Frage stellen. Ich als gesellschaftspolitisch liberal denkender Mensch erachte es nämlich - ganz unabhängig von Winter!! - als
skandalös, dass ein laizistischer, demokratischer, seit Ewigkeiten in der Säkularisierung begriffener Staat wie Österreich, von dem man meinen sollte, dass er Errungenschaften wie Rede- und Meinungsfreiheit als hohe Güter erachtet, einen Paragraphen im Gesetzbuch stehen hat, der Herabwürdigung religiöser Lehren unter Strafe stellt. Es geht mir hier weder speziell um die katholische Kirche, noch speziell um den Islam, aber was wir hier haben, ist ein Gesetz, das Fundamentalisten und missionarischen Rattenfängern praktisch einen völligen freien Raum bar jeder Kritik gewähren kann. Nicht zuletzt gibt es auch in der katholischen Kirche durchaus mächtige Stimmen, die ihre irreführenden Lehren (von der angeblichen Homo-Ideologie über die Holocaustvergleiche bei Abtreibungen bis hin zum letztens päpstlich angeordneten "Neuüberdenken der Trennung zwischen Kirche und Staat") unter das Volk bringen, und es muss meines Erachtens einfach weiterhin gestattet sein, diesen weltfremden Anschauungen mit der vehementen Ablehnung entgegenzutreten, die sie in meinen Augen verdienen. Wir leben im 21. Jahrhundert, um Himmels Willen, daher sollte man sich wirklich einmal die Frage stellen, ob man der Religion die speziellen Privilegien, die sie nach wie vor mit großem Erfolg für sich beansprucht, wirklich einräumen sollte.
Was die Verhetzung angeht, möchte ich auch noch einiges anmerken, vor allem zum Teil "die öffentliche Ordnung zu gefährden". Welche Seite trägt die Schuld daran, Winter oder die Öffentlichkeit? Es fällt mir schwer, das festzumachen. Winters Aussagen waren ja abgesehen von den epileptischen Anfällen, die schlicht schwachsinnig sind, theoretisch richtig: Die Überlieferungen sind sich einigermaßen einig, dass Mohammeds dritte Frau Aischa bei der Hochzeit sechs, beim Vollzug der Ehe neun Jahre alt war. Nach heutigen Maßstäben tatsächlich Kindesmissbrauch. Aber erstens: Ist das fair? Aischa lebte im siebten Jahrhundert, einer Zeit, in der der Orient kulturell eine absolute Speerspitze darstellte. Die Verhältnisse in Mitteleuropa waren in dieser Zeit mit Sicherheit vergleichsweise barbarisch - ich möchte nicht wissen, was sich damals dort zutrug, was mit unseren heutigen kulturellen Maßstäben unvereinbar wäre. Und zweitens war Winter schlicht und ergreifend subtil wie ein Bierkutscher. Wohl wissend, dass in Österreich hunderttausende Menschen leben, deren religiöse Gefühle sie mit ihrem Zitat zutiefst verletzt, was sie allerdings in Kauf nahm, da sie sich damals im Wahlkampf befand. Der Staat meint, zur Berücksichtigung dieser Gefühle brauche es Gesetze, ich meine eher, dazu reicht ein absolutes Minimum an Empathie und gesundem Menschenverstand, was Winter anscheinend fehlte.
Sehen wir uns nun noch die Öffentlichkeit an: Wir haben schon im Rahmen des (mittlerweile zum Glück beendeten) Gazakrieges gesehen, dass es in Mittel- und Westeuropa eine Vielzahl von Menschen gibt, deren Denken und Handeln in erster Linie bzw. zu einem nicht unbeträchtlichen Teil vom Islam beeinflusst wird. Wir sahen aufgebrachte Mobs teils zehntausender Menschen, die "Allahu Akbar" skandierten - und noch weit mehr, was jetzt nicht hierhin gehört. Und wenn all diese Menschen auf die Barrikaden springen, wenn ein derartiger Spruch wie von Susanne Winter kommt, hat man natürlich allen Grund, von einer "Gefährdung der öffentlichen Ordnung" zu sprechen. Ich weiß nur noch nicht so recht, ob das wirklich ein Gerichtsurteil wegen Verhetzung rechtfertigen soll. Was wäre die Urteilsbegründung des Richters im Falle eines Schuldspruchs? "Lassen Sie's in Zukunft halt sein, weil die sind halt so"? Ich weiß nicht recht.
Auch wenn ich ein Urteil wegen Verhetzung gut nachvollziehen könnte, wenn ich mir die ganze Chose noch einmal als Ganzes ansehe, möchte ich abschließend eines sagen:
So sehr ich die FPÖ auch verabscheue (ich will hier nicht in eine falsche Schublade gesteckt werden!), ich wäre wohl nicht unter denen, die im Falle eines Freispruchs vor Empörung laut aufschreien würden. Und wenn ich ganz ehrlich bin: Es erfüllt mich nicht gerade mit Stolz.
Meinungen?