Stimme zu. Ich akzeptiere alles, ob in Sachen Grafik oder Realismus, solange es Sinn macht.
Eine riesige Welt, meinetwegen ein richtiger Globus, damit nirgends unsichtbare Wände sind, auf der sich der Spieler frei bewegen kann, bringt gar nichts, wenn er nur des Realismus' halber existiert, weil Meere, Berge oder Wälder als Begrenzung unlogisch seien oder weil wir eben die Rechenleistung dazu haben, halleluja. Ein diffiziles NPC-Management-System, das Charaktere miteinander in Verbindung setzt, sie auf den Spieler in verschiedener Art je nach seinem Verhalten reagieren lässt, Faktoren wie NPC-Charakter, Wetter, Politik und Morgenschiss in die Dialoge miteinbezieht - was soll es, wenn die NPCs und ihre Meinung über dich überhaupt nicht wichtig sind? "Realistische" Darstellung von Verstümmelungen, Blut, Gedärmen, Knochensplittern, Sex, Krankheit, Perversitäten - wozu, wenn man damit nicht etwas ausdrücken will? Und "Hey, guck mal, wenn du den mit deiner Brechstange triffst, zerplatzt er in seine Einzelteile, wir haben an jedes Organ gedacht, zähl nach!" ist nicht gleichzusetzen mit "etwas ausdrücken".
Ich bin absolut auf der Seite der "realistischen Spiele". Und ich nehme den Begriff Spiel bewusst in die Anführungszeichen mit auf.
"Realistische" Spiele sind furchtbar. Es gibt keins, aber sie können nur furchtbar sein. Die Realität ist öde, kompliziert und viel zu schwer, um mehr als Grundlage für ein Spiel zu sein. Einzelne Aspekte machen sich gut, aber eine vollkommene Simulation würde frustrieren.
Thief oder Deus Ex sind Spiele, die imo einige sehr realistische Aspekte haben. Deus Ex glänzte damals afair als Meilenstein in der Sache. Beide zeichnen sich durch eine gewisse Nicht-Linearität aus, es gibt mehrere Wege ans Ziel und der Spieler kann nach seinen Vorlieben und Fähigkeiten wählen. Einzelne Momente des Gameplays sind realistisch gestaltet. Garrett ist zum Beispiel (zumindest, wenn man zum ersten Mal spielt) nicht in der Lage, mehr als einem Schwertkämpfer lange standzuhalten - ganz zu schweigen von hammerschwingenden Irren, Bogenschützenherden, Kampfrobotern, untoten Armeen oder Göttern (ich habe mal zwei Treffer vom Waldfürsten überlebt, yay!). Ebenso geht es J.C. auf dem höchsten Schwierigkeitsgrad - Leicht, Normal, Schwer, Realistisch - wenn irgendwo ein Scharfschütze lauert und du siehst ihn nicht, bist du hin. Plötzlich tot, einfach so, ohne dass du weißt warum.
Aber stell sich einer vor, jedes Element sei so. Katastrophe. Garrett würde vom Tag überrascht, Wachen machten jedes gelöschte Licht sofort wieder an, und damit das Schleichen in den Schatten unmöglich, irgendwelche Dielen knarrten und quietschten unmotiviert los, ohne dass man jemals vorher wissen könnte, welche. Vielleicht - oh nein! - würden sich die Wachen sogar vernünftig benehmen und den lustigen Turm aus ihren bewusstlosen Kameraden nicht nach einer Weile vergessen - sondern einfach Verstärkung rufen und solange das Haus durchkämmen (Licht machen gar?), bis sie den Schuldigen gefunden haben?
Realistisch? Ja. Spaßbremse. Omg, JA!
Deshalb mein Plädoyer: Her mit Realismus, denn er ist toll und so. Aber nur, wo das Ganze Sinn macht (in Sachen Gameplay, Story oder Atmosphäre), und nur, solange es noch lustig ist.
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When there's money in the ground there's murder in the air!
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