Review der US-Version
von Greg
Ein neues Jahr, ein neues Final Fantasy. Nachdem
1999 der achte Teil der langlebigen RPG-Reihe auf den Markt kam,
sahnte dieser weltweit eine Top-Wertung nach der anderen ab, und
sorgte wieder für viele durchwachte Nächte vor dem Fernseher.
Jedoch bekamen die Entwickler nicht nur durchweg positives Feedback
zurück, besonders langjährige FF-Fans machten ihrem
Unmut lautstark Luft und übten vor allem Kritik an der neuen
Ausrichtung der Serie mit realistisch proportionierten Charakteren,
kühler Zukunftsatmosphäre und zurückgeschraubter
Komplexität. Bei Square verfolgte man diese Entwicklung mit
Besorgnis, da man es sich mit der treuen (und kräftig zahlenden)
Fangemeinde nicht verscherzen wollte. Außerdem näherte
sich nach mehrjähriger Verspätung der langerwartete
Release von Enix' Dragon Quest VII, welches bei den japanischen
RPG-Fans absolute Priorität hatte. Da die Verkaufzahlen von
FF IX nicht unter dem Massenansturm auf DQ VII leiden sollten,
mussten Square ihr Produkt im Voraus besonders "schmackhaft"
machen, was ihnen auch durch einen kleinen Kniff gelang ...
Damit nun auch die von Teil 8 enttäuschten Fans erneut die
Brieftasche zücken, liess man Final Fantasy IX unter dem
Motto "Back to the roots" entwickeln. Dies bedeutete
also weg vom Zukunfts-Setting und wieder zurück in eine bunte
Fantasy-Welt mit Schlössern, Königen und Zauberern.
Auch das Junction-System musste den altbewährten Magic Points
weichen, und im Kampfsystem durften wieder 4 anstatt 3 Charas
gleichzeitig an den Start gehen. Doch damit nicht genug, nachdem
bei den ersten beiden PlayStation-Episoden noch Tetsuya Nomura
mit seinem konventionellen Stil für das Charakter-Design
verantwortlich war, wurde für Teil 9 wieder der Star-Zeichner
Yoshitaka Amano an Bord genommen. Bei der musikalischen Untermalung
deutete sich ebenfalls ein Wechsel an, denn gerüchteweise
sollte dieses Mal der bekannte japanische Musiker Ryuichi Sakamoto
den Job von FF-Urgestein Nobuo Uematsu übernehmen. Jedoch
kam es letztendlich nicht dazu und Uematsu komponierte für
FF9 eine Art "Best of"-Soundtrack, wo neben neuen Sounds
auch viele aus den alten Teilen bekannte Musiken in neuen Gewand
daher kamen, doch dazu später mehr.
Wie hat Final Fantasy IX diese "Umstellung" letztendlich
verkraftet? Nun, man kann sagen, dass die Rückführung
1A funktioniert hat, denn das Spiel ist rundum gelungen. Man hat
wirklich wieder das Gefühl, ein klassisches Japano-RPG aus
der 16Bit-Zeit vor sich zu haben, nur eben im technisch topaktuellen
Gewand. Nach dem griesgrämigen Squall aus Teil 8 spielt dieses
mal der jugendliche Zidane Tribal die Hauptrolle, seines Zeichens
Mitglied bei der Diebesbande "Tantalus" und passionierter
Frauenheld. Er und seine Kumpanen sind per Luftschiff in die Großstadt
Alexandria unterwegs, wo sie als Schauspieltruppe getarnt die
hiesige Prinzessin Garnet entführen wollen. Dies bedeutet
auch gleich einen furiosen (und FMV-reichen) Auftakt für
das Game, in dem ihr in die Spielmechanik eingeführt werdet,
euch an spaßigen Mini-Games versucht und die Bekanntschaft
mit einigen euer späteren Party-Mitglieder macht.
Auf den ersten Blick hat sich rein spielerisch gesehen nicht besonders
viel zum Vorgänger verändert. Ihr besucht wie gehabt
angetrieben von einer guten Storyline diverse vorgerenderte Städte
und Dungeons, führt mehr oder minder interessante Gespräche
und kämpft in einer Polygon-Arena gegen eure Gegnerschaft.
Schaut man jedoch genauer hin, entdeckt man viele Feinheiten und
Neuerungen, die FF9 eine persönliche Note geben. Wer sich
vor dem Spielen nicht mit stundenlangem Wälzen des Handbuches
herumplagen will, für den gibt es Entwarnung, denn neben
den bekannten ausführlichen Tutorials könnt ihr euch
per Select-Taste jederzeit eine Online-Hilfe zuschalten, mit der
ihr euch jeden Menü-Punkt erklären lassen sowie die
Wirkung von Zaubern und die Eigenschaften aller Items anschauen
könnt. Sehr praktisch, wenn euch mal wieder entfallen ist,
ob z.B. der "Safe"-Spruch nun vor physischen oder Magie-Attacken
schützt. Auch könnt ihr nur noch selten die in den Render-Backgrounds
versteckten Gegenstände übersehen, denn wenn es irgendwo
eine Münze zum Aufnehmen, eine Kiste zu öffnen oder
einen Schalter zum Umlegen gibt, Zidane dreht rechtzeitig den
Kopf in die richtige Richtung und ein fettes Ausrufezeichen über
dem Kopf zeigt an, dass es was zu tun gibt.
Eine kleine, aber feine Änderung gibt es auch beim Speichersystem
zu entdecken, dann anstatt der gewohnten Speicherpunkte haben
diesmal die allseits beliebten Moogles die Aufgabe übernommen,
eure Fortschritte in ihren Tagebüchern aufzuzeichnen. Doch
nicht genug, manche der Moogles bieten euch dazu die Möglichkeit
zum Einkauf an, andere hingegen geben euch Briefe an ihre Artgenossen
mit, so dass ihr sozusagen als "Mognet"-Postbote zwischen
den Moogles fungiert. Unter den zahlreichen Features lässt
sich schon wie bei FF VIII ein Kartenspiel finden, zu dem ihr
nahezu jeden, dem ihr im Spiel begegnet herausfordern könnt.
"Tetra Master" spielt sich dank neuem Konzept und leichterem
Zugang flotter als das schnarchige "Triple Triad", wer
nicht aufpasst, findet sich schon das eine oder andere Stündchen
beim Kartenspielen anstatt beim Monsterschlachten wieder.
Kommen wir jetzt aber zu der wichtigsten Neuerung von FF IX, dem
Ability-System. Wer sich noch an das sehr ungewöhnliche Junction-System
aus Teil 8 mit dem "Ziehen" von Zaubern und der Gewichtung
auf die Summons erinnert, der wird überrascht werden, denn
dieses Mal steht das ehemals verschmähte Equipment im Mittelpunkt.
Im Gegensatz zum Vorgänger könnt ihr euch nämlich
vom hart verdienten Geld wieder hemmungslos mit Waffen, Rüstungen,
Helmen etc. eindecken. Jeder Gegenstand erfüllt aber nicht
nur seinen "normalen" Zweck, sondern enthält auch
einiges an Zaubern, die durch ausgiebiges Kämpfen erlernt
werden können. Zum besseren Verständnis mal ein kleines
Beispiel: Ihr habt für euren Zaubermeister Vivi eine neue
Robe gekauft, die mit dem "Fire"-Spruch (mit 20 AP)
ausgestattet ist. AP steht übrigens für Ability-Points,
die es wie gewohnt nach jedem Kampf neben den EXP und dem Geld
dazu gibt. Legt ihr Vivi diese Robe an, kann er sofort über
den Zauber verfügen und den Gegnern kräftig Feuer unterm
Hintern machen. Nehmt ihr ihm die Robe aber wieder ab, ist auch
der Feuerzauber weg. Um dem vorzubeugen, lasst ihr Vivi diese
Robe über mehrere Kämpfe tragen und dabei genug AP verdienen
(in diesem Fall eben 20), bis sich die Leiste unterhalb der Zaubers
gefüllt hat und er so den Fire-Spruch auch nach dem Ablegen
der Robe weiterbenutzen kann.
Im großen und ganzen erinnert alles ein wenig an das Esper-System
auf FF VI, nur dass man dieses mal eben zum Sprüche-Bolzen
keine Summons, sondern Equipment anlegt. Bei FF IX gibt es allerdings
die kleine Einschränkung, denn nicht jeder Chara kann jeden
Rüstungs-Gegenstand anlegen, ebenfalls sind viele Sprüche
auf bestimmte Personen beschränkt oder verlangen teils sehr
unterschiedliche AP-Raten. Als Schmankerl nebenbei gibt es nicht
nur "aktive" Magien wie Angriffs, Heil- & Statuszauber,
sondern auch "passive" Fähigkeiten, die jedem Charakter
per Spezial-Menü angelegt werden können und ihn so z.B.
permanent vor der Versteinerung schützen oder doppelt soviel
AP wie normal verdienen lassen, mithilfe dieser Fähigkeiten
kann man seine Party punktgenau auf bestimmte Situationen anpassen.
Das Ability-System wirkt insgesamt gesehen sehr durchdacht, einerseits
hat man im Gegensatz zum Junction-System einen leichten Einstieg,
andererseits ist es trotzdem komplex genug ausgefallen, um den
Spieler nicht zu unterfordern. Man entwickelt geradezu eine "Beziehung"
zu seinem Equipment, ich habe das ganze Spiel über kein einziges
Item verkauft. :)
Was mit den Abilities stark zusammenhängt, ist natürlich
das Kampfsystem, und da hat sich Square wie erwähnt auf ihre
alten Qualitäten konzentriert. So dürfen sich wieder
4 Leute aus euer Party gleichzeitig über die Gegner hermachen,
ihnen mit MP-knabbernden Zaubern & Summons einheizen und auch
wieder Geld mit dem Kämpfen verdienen, selbst die Battle-Musik
scheint quasi aus den alten SNES-Teilen importiert zu sein. Auch
wenn sich das ganze doch recht flüssig und eingängig
spielen lässt, gerade in Sachen Kampfsystem haben im Jahr
2000 eine Vielzahl an RPGs neue Standards gesetzt, so daß
die Battle Engine von FF IX mit dem üblichen ATB-System etwas
altbacken wirkt. Im Vergleich zu Chrono Cross, den mit durchdachten
Neuerungen versehenen Breath of Fire 4 oder gar dem Innovationswunder
Valkyrie Profile, Square muss spätestens mit dem zehnten
Teil auf der PS2 beweisen, dass sie auch anders als mit der Standard-"Zeitbalken
auffüllen / Zuhauen" Methode können, zumal der
Schwierigkeitsgrad nicht besonders hoch ist.
Auch in anderen Bereichen zeichnet sich das FF IX-Kampfsystem
nicht besonders aus, so wurden z.B. bis auf die Back-Attacks jegliche
speziellen Kampfformationen gestrichen, da könnt ihr in einer
Spielszene von 2 Gegnern eigekreist werden, und im Kampfbildschirm
stehen dann beide einträchtig nebeneinander. Ebenso wurden
mit die beiden wichtigsten Elemente aus dem Kampfsystem von FF
VIII, die Summon-Zauber und die Limit-Breaks, entkräftet
oder quasi nutzlos gemacht. Die Summons z.B. lassen es zwar mit
aufwendigen Animationen & Effekten ein letztes mal auf der
alten PlayStation krachen, nur sind beinahe alle schwächer
als die entsprechenden Angriffszauber und kosten dazu unnötig
viel MPs. Was nützt mir ein ausgiebiger (auch wenn dank Alternativ-Animationen
nicht mehr allzu langer) Ifrit-Summon, wenn ich mit einem einfachen
Flare- oder Holy-Zauber das dreifache an Schaden anrichte? Ähnlich
düster sieht es mit den Limits aus, die dieses mal "Trance"
genannt wurden. Durch gegnerische Treffer lädt sich FF VII-like
eine spezielle Leiste auf, die wenn sie voll ist euch automatisch
für ein paar Runden in einen leuchtenden Zustand versetzt,
in dem ihr dann je nach Charakter z.B. 2 mal pro Runde zaubern
könnt oder eure Specials verstärkt werden. Leider lässt
sich der Trance-Zustand nicht z.B. für Boss-Gegner und sonstige
harte Gesellen aufsparen, so dass ihr nur selten dazu kommt, daraus
auch mal einen Nutzen zu ziehen. Auch wenn sich das ganze ein
wenig harsch anhört, das Kampfsystem macht trotz der ganzen
Kritikpunkte Spaß und man erhält durch das intelligente
Ability-System genügend Anreiz, auch mal abseits des normalen
Dungeon-Alltags und trotz der unverschämt hohen Encounter-Rate
ein paar Kampfrunden extra einzulegen. Mein Fazit zu diesem Bereich:
Solide, nicht mehr, und nicht weniger.
Da wir nun mit den Abilities und dem Kampfsystem die beiden wichtigsten
Punkte von FF IX abgehandelt haben, ein paar Worte zum Rest des
Spieles. Square schien sehr darauf bedacht zu sein, dass man relativ
locker und ohne besonders viel Nachdenken durch das Spiel kommen
kann. Zwar wartet eine Vielzahl der Dungeons mit ein paar netten
Rätseln auf, die aber z.B. die Wild ARMs 2-Kerker in Sachen
Komplexität und Aufbau nicht mal ankratzen können. Dazu
gibt es abseits der eigentlichen Storyline nur sehr wenig zu entdecken,
gerade Mal ein kleines Chocobo-Suchspiel auf der Oberwelt und
einige nicht verzeichnete Örtlichkeiten gilt es zu finden,
ansonsten sind Side-Quests Mangelware. Dies sollte aber nicht
weiter schlimm sein, denn die Entwickler haben sich stattdessen
auf die straffe Erzählung der sehr guten Storyline konzentriert
und hier und da auch ein paar knackige Wendungen spendiert, um
den Spannungsbogen aufrecht zu erhalten. Zwar ist die leicht von
Dragonball angehauchte Geschichte nicht allzu kompliziert und
verworren aufgebaut (Xenogears-Hasser atmen tief durch), dafür
bleiben die Geschehnisse durchgehend verständlich und dank
witziger und sehr gut lesbarer Dialoge kommt so schnell keine
Langeweile auf. Ein weiteres cooles Feature sind die sogenannten
"Active Time Events", kleine anwählbare Zwischensequenzen
die von Zeit zu Zeit auftreten und den RPG-Alltag auflockern.
Zur guten Atmosphäre tragen auch die Charaktere bei, denn
nach der Miesmacher-Truppe aus FF VIII sind dieses mal viele verschiedene
Persönlichkeiten dabei, es geht vom knuffigem Magier Vivi
über das kesse Zauber-Mädel Eiko bishin zum herrlich
schwachsinnigen "Gourmet" Quina.
Kommen wir zu der technischen Umsetzung. In grafischer Hinsicht
überzeugt FF IX ebenfalls auf voller Linie, zwar war nach
FF VIII und Chrono Cross auf der PlayStation keine allzu große
Steigerung mehr zu erwarten, dafür konnte man den erreichten
Standard halten und zaubert wieder exzellente Render-Backgrounds
und Movies sowie ordentliche Polygonfiguren aus dem Hut, viel
mehr lässt sich einfach nicht aus einer 6 Jahre alten Konsole
herausholen. Wo es leider weniger gut aussieht, ist der musikalische
Bereich. Nobuo Uematsus' Arbeit in Ehren, aber bis auf wenige
Ausnahmen ist der FF IX-Soundtrack nicht gerade mit Highlights
gespickt, in Zeiten wo Spiele wie Chrono Cross mit eingänger
Gitarren-Musik und Breath of Fire 4 mit einem atmosphärischen
Top-OST aufwarten, wirkt das typische MIDI-Gedudel von FF IX recht
mager, zudem es die Kompositionen in keinster Weise mit denen
aus FF VII & FF VI aufnehmen können. Was übrig bleibt
ist ein guter Soundtrack, aber gerade in einem Bereich, wo es
an der Spitze so dicht-gedrängelt wie bei den RPG-Soundtracks
zugeht, ist dies fast schon zu wenig.
So, nun ein paar Worte zum Abschluss: Insgesamt gesehen hat Square
mit Final Fantasy IX ein erstklassiges RPG ohne gröbere Fehler
auf die Beine gestellt, die Story bleibt durchweg spannend und
verständlich, das Gameplay geht dank exzellenter (Analog-)Steuerung
und den eingängigen Kampf- & Ability-Systemen leicht
von der Hand und nicht zuletzt wird mal wieder grafisch ein Feuerwerk
abgebrannt. Die angesprochenen Kritikpunkte wie die schlappe Musik,
die hohe Encounter-Rate oder das zu simple Kampfsystem sind stark
vom subjektiven Eindruck abhängig und machen das Spiel nicht
unbedingt schlechter, denn dafür macht es einfach zu viel
Spaß. Das beste Final Fantasy ist es dank der Linearität
und dem vergleichsweise kurzen Umfang nicht geworden, aber zu
einem der besten Spiele im RPG-Jahr 2000 reicht es allemal. Für
die deutsche Version war übrigens wieder das Übersetzungs-Team
von SaGa Frontier 2 verantwortlich und lieferte erstklassige deutsche
Texte, die die Pal-Fassung trotz dicker Pal-Balken sehr empfehlenswert
machen
Fazit : Erstklassiges Rollenspiel mit exzellenter Grafik,
einwandfreiem Gameplay und spannender Story. Dank dem leicht zugänglichen
Ability-System und nicht übermäßig schwierigen
Kampfmodus für den Anfänger wie auch dem Final Fantasy-Veteranen
gleichermaßen motivierend. Zwar trüben der mit 35 bis
40 Stunden etwas kurze Umfang und die düdelige Soundkulisse
den ansonsten hervorragenden Eindruck, trotzdem sollte sich keiner
dieses liebevoll aufgemachte Top-RPG entgehen lassen.
Grafik
Sound
Spielspaß