Review der US-Version
von Greg
Tja, lang genug hat es ja gedauert. Kurz nachdem Working Designs
im Sommer 1999 mit über 1-jähriger Verspätung das
PlayStation-Remake von Lunar: Silver Star Story in die US-Läden
brachte, kam die offizielle Bestätigung, dass ebenfalls das
Remake von Lunar 2: Eternal Blue in die Staaten kommen sollte.
Dass das mit "Winter 99" angegebene, sehr optimischtische
Release-Datum nicht eingehalten werden wird, war angesichts der
Arbeitsweise von WD so gut wie jedem klar, und so kam es auch.
Das Release-Datum verschob sich nun fast Monat für Monat,
das erste Halbjahr 2000 verging fast ohne ein Lebenszeichen. Damit
die lechzenden Fans etwas beruhigt werden, packte WD eine mehrstündige
Lunar 2-Demo zum spaßigen Strategical Vanguard Bandits dazu,
welche die Vorfreude auf das fertige Spiel noch mehr anheizte.
Ein paar Monate später, im Dezember 2000, war es dann schliesslich
soweit und die fertigen Exemplare wurden an die Gameshops verschickt
(was übrigens wegen heftiger Schneestürme noch ein paar
Tage länger dauerte). Nichtsdestotrotz, wer dann das Spiel
endlich in den eigenen Händen halten konnte, hat Working
Designs noch so jede Verspätung verziehen, denn das Ergebnis
ist wieder mal mehr als genial ausgefallen.
Wie schon beim Lunar 1-Remake hat Working Designs nicht nur auf
das sorgfältige und fehlerlose Übersetzen des eigentlichen
Spieles geachtet, sondern dazu noch eine Tonne an Boni spendiert.
Wer den riesigen Pappschuber (fast doppelt so groß wie bei
Teil1 !) öffnet , wird vom Inhalt fast erschlagen. In der
eigentlichen Gamehülle befindet sich neben den 3 Spiele-CDs'
noch die obligatorische (aber leider nicht ganz spoilerfreie)
"Making Of"-Disc, bei der man diesmal sogar per Menü
einzelne Abschnitte anwählen kann. Hülle sowie CDs sind
übrigens mit hübschen Chara-Portraits geschmückt.
Aus dem ersten Lunar-Rekame bekannt ist das über 100-seitige,
in Kunstleder gebundene Handbuch, welches detailliert das Gameplay
erklärt, die Charaktere ausführlich vorstellt, mit Artwork
und Interviews durchsetzt ist sowie einen Teil des offiziellen
Hintbooks enthält.
Die randvoll gefülle Soundtrack-CD kommt diesmal im eigenen
Pappschuber daher, in dem dazu noch Platz für die Demo aus
Vanguard Bandits ist. Last, but not least gibt es die dicke "Omake"-Box
(jap. für "Extra"), in der mehrere Goodies schlummern.
Die Stofflandkarte aus Teil 1 wurde gegen eine aus Relief-Papier
getauscht, ist also besser lesbar und riecht nicht mehr so streng.
In einem kleinen Säckchen gibt es den goldenen Anhänger
von Co-Hauptchara Lucia in einer 1:1-Nachbildung, aufgrund der
voluminösen Größe zwar kaum zum Tragen geeignet,
aber trotzdem ein nettes Goodie. Zum Schluss haben wir das merkwürdigste
Feature, und zwar kleine Pappaufsteller von so ziemlich jeder
wichtigen Figur, die in Lunar 2 vorkommt. Solange kein L2-Brettspielt
oder irgendwas was ähnliches kommt geht der Nutzwert der
Pappaufsteller zwar gen Null, aber ich will mich ja nicht beschweren.
Vorbesteller in den USA bekamen übrigens noch eine Plastik-Büste
von Lunar 1-Chara Ghaleon dazu, an die man aber leider wohl nicht
mehr herankommen kann. Aber genug über das fabulöse
Paket geschwafelt, gehen wir nun endlich zum Spiel über.
Wer Lunar 1 schon kennt, der wird sich bei Lunar 2 sofort heimisch
fühlen, denn an Design und Gameplay würde nur im Detail
gefeilt. Nachdem ihr den minutenlangen Render/Anime-Mix Vorspann
gesehen habt, schlüpft ihr gleich in die Rolle von Hauptcharakter
Hiro. Hiro ist ein junger Abenteurer, der zusammen mit seinem
fliegenden Kumpan, dem weiblichen Jungdrachen Ruby, gerade in
bester Indiana Jones-Manier einen Edelstein aus einer Ruine entwendet
und in einer aberwitzigen Verfolgungsjagd nur knapp entkommen
kann. Hiro & Ruby erinnern übrigens stark an das "Alex
& Nall"-Gespann aus Teil 1, was von den Machern wohl
auch so beabsichtigt war. Von da an geht es nach dem bewährten
Field-RPG Konzept weiter, Hiro macht sich im Laufe der Story auf
eine Reise, trifft dabei alle Nase lang auf neue Party-Mitglieder
und besucht im Rahmen der Geschichte unzählige Dungeons und
Städte, wer Teil 1 kennt, weiß genau, wie es abgeht.
Die Unterschiede halten sich, wie schon weiter oben erwähnt,
in Grenzen. Auffälligste Neuerung ist das verbesserte Item-Managment,
die Limitierung auf eine bestimmte Zahl an Gegenständen pro
Chara ist gefallen und nun können sich alle jederzeit im
großen Item-Säckl bedienen. Dies ist auch gut so, denn
der Schwierigkeitsgrad wurde gegenüber dem Vorgänger
etwas angehoben, und verlangt nun auch öfters im Kampf einen
durchdachten Umgang mit den Items, doch dazu später mehr.
Euer Equipment wurde um zwei Slots erweitert, so dass ihr nun
neben 2 Accessories auch 2 sogenannte "Crests" anlegen
könnt, die euch z.B. verschiedene Zauber verleihen oder Statuswerte
anheben. Das Besondere hierbei ist, dass manchte der Crests mit
anderen korrespondieren und versteckte Fähigkeiten zu Tage
treten. So mutiert ihr bei einer bestimmten Combo auf einmal zum
Muskelmann und erledigt fast jeden Gegner mit einem Streich, im
Gegenzug werden aber alle Magiefähigkeiten gesperrt. Eine
andere Kombination sorgt hingegen dafür, dass in jeder Runde
eure Attack- und Defense-Werte ansteigen. Das bringt eine zusätzliche
taktische Note ins Spiel, was eigentlich nur positiv zu bewerten
ist.
Auch sonst fanden die Neuerungen eher im kleinen Rahmen statt.
Die Kampfgebiete sind z.B. wieder nicht allzu komplex gemacht,
auch wenn hier und da mal ein paar kleinere Rätsel oder vewundene
Gänge für Kopfzerbrechen sorgen. Die gegnerischen Parties
sind weiterhin sichtbar und verfolgen euch, wenn sie euch entdecken,
neuerdings könnt ihr euch per Dash-Button in letzer Sekunde
verdünnisierten und so dem einen oder anderen ungewollten
Kampf entgehen. Kommt es dennoch zum Gefecht, wird auf die gewohnte
halbhohe Seiten-Ansicht geschaltet, in der ihr euch rundenbasiert
mit den Gegnern kloppen könnt. Wie auch schon im Erstling
spielen Position und Entfernung zu dem Gegner eine wichtige Rolle,
und entscheiden öfters über Sieg oder Niederlage. Im
Vergleich zum Erstling kommen die Kämpfe eine Spur härter
rüber, besonders die Bosse verlangen vorrausschauendes Denken
und "Antizipieren" der kommenden Aktionen von euch und
lassen euch desöfteren kräftig ins Schwitzen kommen,
angesichts der vielen Leichtgewichte in der letzten Zeit doch
mal eine willkommene Abwechslung. Kampf-Puristen freuen sich über
etwas aktivere NPCs' und ein ausbaufähiges Magiesystem, durch
das einige Sprüche beim Erreichen eines bestimmten Level
in stärkere Formen "digitieren" können.
Bei der technischen Umsetzung hat Game Arts mal wieder gezeigt,
wie ein Remake aussehen muss (Square-Mitarbeiter, ab hier genau
aufpassen!). Die 2D-Grafik wurde im Vergleich zum Mega-CD Original
kräftig aufgebrezelt und besticht nun mit optisch sehr hübschen
Settings, hervorragendendem (SD-)Charakter- und Gegnerdesign sowie
netten Animationen. Es wirkt alles einfach wie aus einem Guß
und passt perfekt zum Spiel, der einzige Downer sind ab und an
auftretende Slowdowns, die bei aufwendigen Effekten wie Schneefall
oder brodelnder Lava zu sehen sind. Ansonsten kann man wieder
beruhigt sagen, dass sich Fans von 2D und Anime-Optik im 7ten
Himmel befinden werden, klasse. Die Musikuntermalung geht im gleichen
Stil wie beim Lunar 1-Remake weiter, sogar einige Melodien wurden
recyclet, auch wenn mir persönlich erstklassige Stücke
wie das Lunar-Opening oder der Boat-Song ein wenig abgehen. Soundeffekte
und die Sprachsamples bei den Kämpfen sind top, letztere
lassen sich auf Wunsch mittlerweile sogar abschalten.
Dass Eternal Blue auf 3 CD's daherkommt, ist bei der Fülle
an Videosequenzen und Sprachausgabe kein Wunder. Viele Szenen
werden in teils minutenlangen Movies gezeigt, wichtige Gespräche
sind von Sprache unterlegt. Beide Punkte tragen kräftig zur
Atmospähre bei, die Movies wurden dazu noch von Working Designs
speziell für die US-Version auf Vollbild angepasst und in
besserer Qualität als im Original vertont. Die Sprechrollen
wurden hochklassig und passend besetzt, man kann ruhig von einer
der besten, amerikanischen Videogame-Synchros sprechen. Die Texte
sind durchweg gut lesbar und mit vielen Anekdoten und Anspielungen
durchsetzt, nur die meiner Meinung nach etwas misslungenen (neu
gestalteten) Textkästen schmälern das Lesevergnügen
ein wenig, sonst gibt es an der Lokalisation aber nichts auszusetzten.
Insgesamt gesehen haben Working Designs mit der Lokalisation und
Game Arts mit der Programmierung des Eternal Blue-Remakes einen
ganz großen Wurf gelandet, und einem spielerisch eh schon
tollen 16 Bit-RPG den Rahmen gegeben, den es verdient hat. Innovationstechnisch
werden zwar keine Bäume herausgerissen, so dass das ganze
mehr wie ein Update zu Silver Star Story mit neuen Charas und
frischer Story wirkt, aber das Zusammenspiel der ganzen Faktoren
inkl. der kleinen Neuerungen und des angehobenen Schwierigkeitsgrades
funktioniert (mal wieder) perfekt und fesselt vor der Konsole,
bis auch der letzte Dungeon durchsucht und der letzte Story-Fetzen
entdeckt wurde. Manche mögen sich an dem extremst linearen
Spielablauf stören, der gesamte Lösungsweg wird quasi
von der Storyline vordiktiert und die begehbare Oberwelt scheint
zu Beginn nur eine Alibi-Funktion zu haben, dafür wird man
aber nach dem Besiegen des (vermeintlich) letzten Endgegners mit
einem mehrstündigen "Epilog" belohnt, in dem man
sich frei über die gesamte Welt bewegen und diese nach Bonus-Dungeons
sowie versteckten Secrets absuchen kann, sehr coole Sache. Die
Geschichte, die zwar satte 1000 Jahre nach dem ersten Teil spielt,
ist voller Andeutungen und Referenzen zum Erstling gespickt, so
daß man als Kenner des Vorgängers neben der von sich
aus spanndenden Storyline gleich doppelt entlohnt wird.
Warum ich nun Eternal Blue nicht ganz so hoch wie Silver Star
Story bewerte, liegt daran, dass mir persönlich der Erstling
von der Zusammensetzung her einfach homogener vorkommt. Die Charaktere
von Silver Star Story sind durchweg symphatischer als ihre Eternal
Blue-Pendants, die Story-Wendungen sind richtige Hämmer und
die Dungeons sind quasi immer an den richtigen Stellen positioniert,
nicht zuletzt fehlen dem Lunar 2-Soundtrack die richtigen Highlights.
Dies soll nicht heißen, dass Eternal Blue bei irgendeinem
Punkt signifikant schlechter ist, im Gegenteil, die vielen Verbesserungen
und der tolle Einfall mit dem Epilog werten die Fortsetzung um
einiges auf, aber im Endeffekt reicht das meiner Meinung nach
nicht aus, um Silver Star Story von seinem Thron zu stürzen.
Trotzdem, mit Eternal Blue kann man als Fan der klassischen 2D-RPGs
absolut nichts falsch machen, auf der PlayStation wird man neben
dem Vorgänger und Suikoden 2 in dem Bereich nichts besseres
finden, unbedingt kaufen.
Fazit : Fantaschtisches Remake eines alten Mega-CD Klassikers
mit hochwertiger Übersetzung und riesigem Bonus-Paket. Dank
hervorragender 2D-Grafik, spannender Geschichte und spaßigen
Gameplay ein absolutes Muß für jeden RPG-Fan, sollte
in keiner Sammlung fehlen. Besonders Fans des Erstlings greifen
unbedingt zu, auch wenn dieser spielspaßtechnisch nicht
ganz erreicht wird. Spieldauer reicht von 30 bis 40 Stunden.
Grafik
Sound
Spielspaß