Review der deutschen Version
von Eccoman
Der
letzte Ausflug Marios in RPG-Gefilde war seiner Zeit auf dem Nintendo
64 in "Paper Mario". Jetzt läutet er zusammen mit
Bruder Luigi Runde 3 der Rollenspiel-Saga ein!
Eine (zunächst) namenslose Diebin hat Prinzessin Peach ihre
Stimme geklaut - warum sie das getan hat, ist erst mal unklar.
Klar ist jedoch, dass sich Mario mit seinem Bruder Luigi auf den
Weg machen muss, um die Stimme zurück zu holen. Klingt bis
jetzt nach einer waschechten Mario-Billig-Story, oder? Richtig,
aber Skeptiker kann ich schon jetzt entwarnen: Für ein Mario-Spiel
erfährt die Geschichte erfrischende Wendungen sowie Überraschungen
und kann letztendlich vollends befriedigen. Doch eines nach dem
anderen...
Es
verschlägt die beiden Klempner diesmal in das sog. Bohnenland.
Man betrachtet das Geschehen hierbei grundsätzlich aus der
Vogelperspektive, wie sie z. B. bei den 2D-Zeldas zum Einsatz
kam. Man steuert immer beide Figuren gleichzeitig, was zu einer
dezenten anfänglichen Verwirrung führen kann - nach
einer gewissen Eingewöhnung funktioniert das aber exzellent.
Die jeweils vordere Figur agiert mit A (springen, sprechen, Hammer
schwingen), während die hintere durch einen Druck auf B zu
Wort kommt (ebenfalls springen, Hammer schwingen, aber kein Sprechen).
Im Laufe des Spiels lernen die beiden Helden in recht regelmäßigen
Abständen zunehmend mehr Aktionen: Z. B. springt Mario auf
Luigis Schultern und wirbelt dann umher, damit die beiden im Team
per Gleitsprung größere Abgründe überqueren
können oder Luigi schlägt mit seinem Hammer auf Mario
ein, der dann auf Miniaturgröße schrumpft und durch
winzige Durchgänge passt. Anschließend spielt man dann
abwechselnd beide Figuren einzeln - per Start wird geswitcht.
Mit diesen Manövern knackt man während des Spielverlaufs
schließlich zahlreiche Rätsel - mehr möchte ich
hier nicht verraten, nur so viel zur Güte der Rätsel:
Einige sind recht ausgeklügelt, aber die meisten hat man
(dank der sehr einsteigerfreundlichen Hilfen) schnell durchschaut
und gelöst. Gestört hat mich das jedoch nicht, denn
ich kann Einstein-Headbreakers à la Alundra absolut nicht
leiden. Dadurch wird nur die Spielzeit in die Länge gezogen
und der Spielfluss unterbrochen.
Stichwort
Spielfluss: Dieser wird bei M & L jederzeit sehr flüssig
gehalten und immer wieder aufgelockert. Neben den Rätseln
stehen ab und zu auch diverse Geschicklichkeitsprüfungen
auf dem Programm: Seilchenspringen ist ebenso gefragt wie korrektes
"Kistenspringen". Diese Einlagen passen wunderbar ins
Spielgeschehen, aber seltsamerweise fand ich sie teilweise härter
als alle Rätsel zusammen. Eine gewisse Mario-Erfahrung oder
zumindest eine Hüpfbegabung sollte also schon zum Spielen
mitgebracht werden. Und wenn wir hier schon von einem Rollenspiel
sprechen, dürfen natürlich auch keine Statuswerte/-eigenschaften
und Kämpfe fehlen: FF-Fanatiker müssen leider auf unendliche
Random-Encounters verzichten: Bei M & L sieht man seine Widersacher
jederzeit und kann ihnen dann bei Bedarf aus dem Weg gehen oder
sich schon vor dem Kampf per Kopfsprung einen Vorteil verschaffen.
Kommt es dann zu einem Kontakt mit Gumbas, Koopas, Geistern oder
Shy Guys, schaltet das Spiel in den Kampfmodus. Hier ist die Knopfverteilung
für die beiden Klempner stets festgelegt: Das Auswählen
sämtlicher Kommandos erfolgt bei Mario mit A und bei Luigi
mit B. Über ein recht übersichtliches Ringmenü
wählt man nun "Angreifen", "Item benutzen"
(Pilze zur Heilung, 1-Up-Pilze zur Wiederbelebung etc.) oder auch
"Flucht" aus. Kopfsprünge und Hammerschläge
kennt der geneigte Mario-RPG-Fan bereits seit 1996, neu sind die
"Brüder-Attacken": Bei den BAs greifen beide Klempner
in einer Kombo an und es gilt, zur rechten Zeit den rechten Knopf
zu drücken, damit die Attacke effektiv wird. Unter Einhaltung
eines gewissen Timings ist es abermals möglich, Gegnern mehr
Schaden zu zufügen oder eigenen Schaden zu verhindern bzw.
eine gegnerische Attacke zu kontern. An sich nutzt sich der Spaßwert
der Kämpfe bei herkömmlichen RPGs mit der Zeit stark
ab, doch das passiert bei M & L nicht so schnell: Jeder Gegner
agiert anders und erfordert ein differenzierendes Timing. Somit
bleiben die Kämpfe bis zum Schluss spannend und abwechslungsreich.
Hinzu kommt, dass die Klempner während des Spielverlaufs
- ähnlich wie bei den "Rätseln" - stetig neue
Skills gelehrt bekommen. So muss das sein! Nach einem erfolgreichen
Kampf gibt es dann schließlich Münzen, ggf. Items und
Erfahrungspunkte. Hat man von Letzteren genug auf dem Konto, steigt
der jew. Klempner ein Level auf und die einzelnen Werte (HP, Angriff,
Verteidigung, Geschwindigkeit usw.) erhöhen sich. Endloses
Aufleveln entfällt bei Mario & Luigi übrigens: Die
Level Ups tauchen in schön regelmäßigen Abständen
auf und wer alle Gegner auf dem Screen einmal plättet, hat
später keine Probleme - ich sag's doch: Spielfluss!! Und
Gewaltmärsche à la Metroid Prime braucht auch keiner
befürchten: Man trifft gelegentlich auf grüne Warp-Röhren,
die man zum Warpen zu bereits besuchten Röhren verwenden
kann.
Und
so streckt sich die Reise der beiden durch das gesamte Bohnenland:
In Schloss Bohnenburg bedarf die fette Königin Hilfe, da
sie unter Wurmbefall leidet, in Little Toad Town, einem Städtchen,
das grafisch sehr stark an SMB erinnert, bekommt man exklusive
Pilz-Items und Equipment wie Latzhosen, im Grinsewald steht die
Suche nach einem speziellen Wein auf der To-Do-Liste, auf der
Insel Hihihi lernt man ganz spezielle Fähigkeiten usw. Zwischendurch
steht zudem immer wieder ein Dungeon an. In einigen Räumen
dieser Verliese hängt eine Karte an der Wand, auf der man
seine Position und die Positionen der recht großzügig
verteilten Speicherpunkte zu sehen bekommt. Das Leveldesign ist
- wie man es von Nintendo gewöhnt ist - so gut wie perfekt.
Unfaire Stellen sind weder bei den Rätseln, noch bei den
Geschicklichkeitseinlagen oder den Kämpfen auszumachen. Am
Ende des Kerkers wartet schließlich stets ein Boss auf Prügel.
Doch das wirklich faszinierende an diesem GBA-Spiel sind die durchweg
formidablen Animationen und die nie besser gewesene Mario-Atmosphäre:
Bei einer Unterhaltung kommt Mario sichtlich ins Grübeln,
bei einer "Alleintour" zittert Luigi am ganzen Körper
und jede noch so kleine Aktion sieht einfach lustig aus. Unterstrichen
wird das Ganze von einer nahezu perfekten Lokalisation; ich behaupte
mit Verlaub, dass es kein Nintendo-Spiel gibt, das derart liebevoll
programmiert und übersetzt wurde! Neben der an sich einwandfreien
Rechtschreibung und Grammatik ohne Tippfehler (!) gibt es immer
wieder herrliche (Wort)Witze, die nicht selten an nicht ganz junge
Semester gerichtet sind. Des Weiteren überraschten mich immer
wieder die vielen versteckten Kleinigkeiten: Im Sternbohnencafé
in Bohnenburg trifft man z. B. auf einen guten (Cube-)Bekannten
und bekommt für das Sammeln einiger Böhnchen tolle Sonder-Items.
Solche "Integrationen" hätte ich Nintendo - oder
besser dem verantwortlichen Sub-Programmierer-Team - gar nicht
mehr zugetraut!
Die
grafische Beschaffenheit habe ich ja schon kurz angeschnitten,
aber hierzu sollte man noch ein paar Takte verlieren: Die Umgebungen
sind Mario-typisch nicht gerade sehr detailliert, aber für
ein GameBoy-Spiel sehr schön und stilistisch korrekt umgesetzt
worden: Egal ob Pilz-Stadt, Wald, Wüste oder gar das normale
Menü - alles passt! Das Design aller freundlich und feindlich
gesinnten Figuren muss mit dem Prädikat "liebevoll"
ausgezeichnet werden. Gut, es wäre sicherlich noch mehr möglich
gewesen, mir reichte es aber vollkommen aus. Musikalisch gibt
es etliche bekannte Mario-Themen sowie einige neue Kompositionen
auf die Ohren, von denen so gut wie alle dauerhaft hörbar
sind. Mein persönliches Highlight sind neben den oldschooligen
Soundeffekten kurze Sprachsamples von Mario und Luigi vor Kämpfen
und während den Gesprächen. Sowieso wurde den beiden
Klempnern nie mehr Profil verliehen, als es hier geschehen ist,
denn trotz Analphabetismus erreichen die Helden dank ihrer Mimik,
Gestik und "Zeichensprache" einen freundlichen, glaubwürdigen
Charakter.
Bevor
ich noch am 3. Januar 2004 zum Hyper des Jahres gewählt werde,
muss ich wohl oder übel auch noch einige negativen Seiten
an M & L erörtern. Erst einmal ist die Steuerung trotz
der Durchdachtheit ab und zu etwas ungenau bzw. hakelig: Steht
Luigi nicht genau hinter Mario, kann er ihn auch nicht mit seinem
Hammer maltretieren. Das kann bei Action-Szenen auf Zeit schon
mal nerven, aber man bekommt es schließlich in den Griff
und gewöhnt sich daran. Des Weiteren ist das Spiel mit der
Durchspielzeit (s. unten) für ein RPG recht kurz ausgefallen.
Es ist zwar nicht so schnell beendet, wie z. B. Metroid Fusion,
für Spiele wie Final Fantasy Tactics Advance oder Golden
Sun braucht man jedoch viel länger. Das muss aber kein Todes-Kritikpunkt
sein, denn Spieler, die nicht unbedingt 8 h pro Tag spielen, sind
froh, wenn sie mal ein nicht ganz so üppiges Rollenspiel
durchspielen können. Zu guter Letzt macht sich ein Kritikpunkt
nach dem Durchspielen bemerkbar: Man hat es die ganze Zeit über
nicht wahrgenommen, aber streng genommen ist das Spiel schlichtweg
einmal mehr zu leicht geraten. Den Game Over-Screen hab ich nicht
einmal gesehen, obgleich ich des Öfteren kurz davor stand:
Wenn nur noch einer der beiden Latzhosenträger mit 4 HP vor
sich hin vegetiert und der vermeintliche Boss zu einer Attacke
ansetzt, bei der man eine Engelsgeduld und ein göttliches
Timing braucht, wird verständlich, wovon ich rede: Spannend
wird's ebenfalls! Im Endeffekt ist aber auch dieser Kritikpunkt
nicht sehr gravierend: Dadurch, dass das Spiel quasi keine Längen
hat und man wunderbar mit Abwechslung bedient wird, gibt sich
M & L als ein exzellentes Spiel für Jung und Alt!
Zu
guter Letzt noch ein paar Worte zum GB-Player-Supportment &
Co.: Mario & Luigi spielt sich mittels GB-Player sehr gut
und es wird zudem die Rumble-Möglichkeit des GC-Controllers
unterstützt! Multiplayer-Süchtige bekommen mal wieder
ein "Mario Bros." spendiert, das von mir aus auch hätte
fehlen dürfen - aber es ist ja gut zu wissen, dass es da
ist...
Fazit : Es ist wie in seligsten SNES-Zeiten: Man kauft
ein Normalo-Mario-Spiel und bekommt ein Mario-Spiel aller erster
Güte! Schnell war meine anfängliche Skepsis verflogen,
weiß das hyper-liebevoll programmierte Spiel doch durchweg
zu begeistern: Sei es der flüssige Spielablauf, die astreinen
Animationen oder die vielen Jokes samt der exzellenten deutschen
Lokalisation - Mario & Luigi ist einfach ein Über-GBA-Spiel.
Immer wieder wird man an den GBA gefesselt und entdeckt neue,
sehr gut integrierte Spielelemente. Hardcore-Mario- und -RPG-Spieler
werden sich vielleicht angesichts des recht knappen Umfangs (für
ein RPG) und des an sich recht leichten Schwierigkeitsgrades unterfordert
fühlen, zeitlich eng bemessene Zocker können sich aber
nun endlich mal wieder an ein RPG setzen! Neulinge werden hierbei
ebenso angesprochen wie ich persönlich: Lieber etwas zu leicht
als etwas zu schwer - so gibt es keinen Frust und keine Zeitverschwendung.
Insgesamt ist M & L ein wahres Meisterwerk und meiner Meinung
nach das Spiel des Jahres 2003 - da ist ganz klar eine Referenzwertung
fällig. Amen.
Spielspaß