Review der US-Version
von Greg
So lange
Zeit ist es noch garnicht her, als Sonys' erstklassiges 2D-Rollenspiel
Wild ARMs den deutschen Fans schlaflose Nächte bescherte,
gegen Anfang 1999 kam das Spiel mit mehrjähriger Verspätung
auch hierzulande in die Geschäfte. Die RPG-Fans aus Amerika
hingegen gingen schon Mitte 1997 auf Abenteuerreise im Wüstenland
Filgaia, und deshalb hat man in den Staaten auch sehnsüchtig
auf den Release von Wild ARMs 2 im Mai 2000 gewartet, welches
ich an dieser Stelle nun näher beleuchte.
Was
hat sich nun im Vergleich zu Teil 1 geändert? Nun, wer ein
weiteres 2D-Spiel im Stil der alten Super Nintendo-RPGs erwartet,
wird überrascht. Nachdem die Leute von Contrail mit Legend
of Legaia ein komplett polygonales Abenteuer mit WA-Elementen
auf die Beine gestellt haben, entschied man sich diesmal grafisch
für einen Mix aus gezeichneten Charakteren und einer isometrischen
3D-Umgebung, ganz im Stil von z.B. Grandia, Xenogears oder Breath
of Fire III. Von der technischen Seite aus gesehen haben die Grafiker
ordentliche Arbeit geleistet. Die Polygon-Backgrounds sind durchweg
sehr sauber und flüssig gemacht. Zwar dürft ihr kein
Detailfeuerwerk ala Xenogears erwarten, dafür bleibt das
Geschehen trotz des ausgekügelten Designs immer übersichtlich.
Die Charas selber reichen qualitativ an Capcoms' Breath of Fire-Recken
heran, insgesamt gesehen ist eine sehr ausgewogene Optik dabei
herausgekommen und nicht altbacken, wie manche Zeitschriften behaupten
;). Die Musik besteht wie gehabt aus netten Melodien mit starkem
Western-Einschlag, auch wenn mir persönlich die Kompositionen
aus Teil 1 besser gefallen haben (z.B. wurde das erstklassige
Pfeif-Lied aus dem Intro gegen ein nettes Bläser-Stück
ausgetauscht).
Vom Gameplay her haben die Entwickler das Kunstück geschafft,
den Spielablauf nahe am Erstling zu halten, aber mit vielen intelligenten
Elementen ordentlich aufzuweten. Nachdem ihr wieder ein tolles
Anime-Intro genossen und ein neues Spiel begonnen habt, stehen
euch (wie so oft bei Contrail ;) 3 Charaktere zur Auswahl. Ihr
dürft euch zwischen dem frischgebackenem Soldaten Ashley
Winchester (der stark nach Ryu aus Breath of Fire aussieht), dem
stämmigen Flüchtling Brad Evans und der Nachwuchs-Zauberin
Lilka Eleniak entscheiden. Die anfäglichen Quests dienen
natürlich zur Einführung in die Story und um mit den
neuen Helden & Features warm zu werden. Haben die Charas dann
zueinander gefunden, geht es wie gewohnt im Verbund weiter durch
unzählige Ortschaften und Dungeons. Diesmal bleibt es aber
nicht die ganze Zeit über bei 3 spielbaren Charas, im Spielverlauf
schliessen sich mindestens nochmal soviele euer Party an.
Wie schon aus Teil 1 bekannt, hat jeder Charakter eigene Spezialfähigkeiten
& besondere Items, die zur Problemlösung in den Dungeons
eingesetzt werden können, so bedient sich Ashley z.B. kleinen
Wurfmessern, um weit entfernte Schalter umzulegen, oder Brad tritt
verrostete Türen per Spezial-Schuh ein. Dank des exzellenten
Dungeon-Designs, welches mit toll konstruierten Ebenen & vielen
Denknüssen aufwartet, verlangt jede einzelne Mine, Höhle
& Schergen-Basis ordentlich Kopfarbeit vom Spieler. Contrail
hat sich nach den schmucklosen und geradliningen Dungeons von
Legend of Legaia mit WA2 rehabilitiert und die vielleicht besten
& durchdachtesten Kampfgebiete seit dem guten, alten Lufia
2 auf die Beine gestellt. Weniger gelungen ist leider der Kampfmodus.
Vom Ablauf und von der technischen Seite her haben sich die Kämpfe
kaum verändert, immer noch duelliert man sich in einer kargen
Polygonoptik Runde um Runde mit der Gegnerschaft, in Zeiten, in
denen ein Chrono Chross neue Maßstäbe in Sachen Kampfmodus
setzt, wirkt das hier Gebotene eher mager. Zwar kommt dank der
verschiedenen Specials der Charas & der Möglichkeit,
jederzeit eure Partymitglieder auszuwechseln ein wenig Taktik
ins Spiel, doch sind die meisten Gegner & Bosse kaum der Rede
wert, mit ein wenig Nachdenken und konsequentem Ausnutzen euer
Fähigkeiten sollten die meisten Kontrahenten im ersten Anlauf
locker besiegt werden.
Das Manko mit den leicht verhunzten Kämpfen wird aber dank
dem "Encounter-Cancel", einem der genialsten Features
der RPG-Geschichte, beihnahe komplett entschärft. Wenn ihr
gerade in einem Kampfgebiet herumwandert und euch dort Monster
zum Gefecht herausfordern, wird nicht einfach sofort in den Kampfmodus
geschaltet, sondern ein kleiner Hinweis über eurem Schädel
warnt euch vor der bevorstehenden Konfrontation und ihr könnt
euch mit einem schnellen Druck auf die Kreis-Taste einfach aus
dem Staub machen. Sehr praktisch kommt dies vor allem, wenn man
an einem der hartnäckigen Rätseln herumknabbert und
dabei nicht von tausenden Random-Battles gestört werden will.
Es gibt zwar auch unausweichliche Kämpfe (die mit einem roten
Ausrufezeichen gekennzeichnet werden), doch dies bildet eher die
Ausnahme. Ganz nagelneu ist dieses Feature zwar nicht (erinnert
sich noch jemand an Shadow Madness? ;), aber in WA2 wurde diese
Möglichkeit so konsequent umgesetzt, dass es dem Spieler
überlassen wird, ob & wann er Zeit ins Aufleveln investiert
und wann er sich aufs' Lösen der diversen Aufgaben konzentrieren
will, dafür ein ganz großer Dank an Contrail von jedem
"Zufallskampf"-geschädigten Rollenspieler. :)
Doch damit hören die "kleinen" Innovationen nicht
auf, es wurde z.B. auch kräftig an der Gestaltung der Oberwelt
gefeilt. Anstatt einfach einen netten, optischen Rahmen zum Reisen
zwischen den verschiedenen Ortschaften zu bieten, haben die Entwickler
aus ihr eine Denksportausgabe gemacht, denn keine Städte
oder Dungeons sind von Beginn an sichtbar. Kennt ihr den Fundort
der gesuchten Location nicht, informiert ihr euch im Umland durch
viel "Small Talk" und ausgiebiges Schilder-lesen weiter,
so daß ihr genug Hinweise auf die Topographie des gesuchten
Ortes erfahrt und diesen mit ein wenig Kombinationsgabe und eurem
Sonar in der Hand ausfindig machen könnt. Dies war jetzt
nur ein kleines Beispiel von den vielen guten Ideen, die in Wild
ARMs 2 stecken, lasst euch einfach mal selber von den kleinen
Finessen überraschen, das Spiel wirkt oft bis in die Haarspitzen
durchdacht.
Was fehlt noch in diesem Review? Achja, noch ein paar Worte zur
Story. :) Die Geschichte in Wild ARMs 2 knüpft nicht direkt
an die von Teil 1 an, so daß euch ein komplett frisches
Abenteuer mit anderen Helden, Bösewichten und religösen
Figuren erwartet. Zwar entwickelt sich die Story in den ersten
Spielstunden recht schleppend, doch mit der Zeit nimmt die Komplexität
erheblich zu und auch knackige Wendungen werden keine Seltenheit,
der Storyfetischist wird mit jeder gespielten Stunde eigentlich
immer mehr belohnt. Auch sehr schön ist die gute Charakterisierung
euer Partymitglieder, jede Figur wird ausführlich beleuchtet
und bekommt durch eigene Quests und Storyabschnitte genug Raum,
um eine Persönlichkeit zu entwickeln und nicht zum gesichtlosen
Mitläufer zu verkommen. Wer also ein Faible für ausladendes
Dungeon-forschen, eine nett gemachte Geschichte und ein durchdachtes
Spielkonzept hat, sollte sich unbedingt Wild ARMs 2 ins Regal
stellen, denn ansonsten verpasst er den neben Chrono Cross &
Valkyrie Profile besten RPG-Titel des Jahres 2000 .
Fazit : Absolutes Top-RPG mit zweckmäßiger 3D-Grafik
& nettem Sound. Der etwas lasche und zu leichte Kampfmodus
wird mit erstklassig designten Dungeons sowie einer guten, sich
weiterentwicklenden Storyline wieder wettgemacht, dazu lässt
das tolle Encounter-Cancel-Feature den Nervfaktor in den weitläufigen
Kampfgebieten gen Null sinken. Eines der besten und durchdachtesten
Spiele des Jahres 2000, unbedingt zugreifen.
Grafik
Sound
Spielspaß