Fanfiction
Vampires Dawn von Laguna Loire
2. Der Gefährte
Ich will nicht mehr ...
Ich habe verloren was mir am liebsten war und jetzt bin ich nicht mehr ich ...
Ich habe nichts mehr ...
Ich könnte einfach sterben ... Niemand würde mich vermissen!
Ich weiß es ... niemand würde es tun, denn keiner versteht meinen Schmerz ...
Angst ... Ich habe Angst vor dem Tag. Angst vor der Nacht. Ich fürchte mich davor noch mehr zu verlieren wenn ich morgens in meinem Bett aufwache ...
Mein Herz habe ich bereits verloren. Mir bleibt nur der Kummer ... und meine Seele ...
Doch was hätte ich nicht dafür gegeben ihren Tod verhindern zu können. Ich hätte meine Seele geopfert. Und im Grunde bin ich auch mit Seele ...
...Ein einsamer Mensch ...
...Ein schwacher Mensch ...
Ein kalter und starker Wind blies zu diesem Tage durch die Straßen der Stadt Klennar. Es war noch sehr früh am Morgen und die meisten Menschen schliefen noch gemütlich in ihren Betten, ehe sich die stärksten von Ihnen dazu überwanden dem genüsslichen Ruf nach Schlaf beiseite zu legen und sich von ihrem Nachtlager zu erheben. Gestern Nacht hatte ein fürchterlicher Sturm getobt und keiner von den Bürgern hatte es gewagt, nur einen Fuß vor die Tür zu setzen. So entgingen Ihnen natürlich auch die dunklen Gestalten vom gestrigen Tag, die während der Nacht scheinbar ziellos umher gestrichen waren. Das Wort "Vampire" erschien dem Großteil der Stadtbevölkerung eher wie ein schlimmer Alptraum, als dass man es weiter ernst genommen hätte. Und wirklich hatte keiner von Ihnen gestern etwas von dem Wesen mitgekriegt, das zwei arme Seelen ihrer Stadt heimgesucht hatte. Alles schien den gewöhnlichen Lauf zu nehmen, um sieben Uhr standen die ersten Leute vor ihrer Haustür und kehrten den Eingang, andere machten sich auf den Weg zur Arbeit oder hielten das ein oder andere Schwätzchen mit den Mitbewohnern.
Keinem fiel auf, dass der sonst so ehrgeizige und pflichtbewusste Jüngling mit den grünen Haaren fehlte, der sich sonst immer schon um diese Uhrzeit aufgemacht hatte, um im dichten Wald nach Tieren jagen zu gehen. Einigen Kinder schienen wohl auch wach zu sein, denn schon bald war Klennar erfüllt von fröhlichem Lachen und Geschrei. Die Bäume hatten ihre unheimliche Wirkung von gestern verloren, das Rauschen der Zweige und Blätter im Wind klang jetzt eher nach typischem Herbstwetter.
An diesem Tag lag Valnar scheinbar schlafend, aber mit geöffneten Augen in seinem Bett und blickte geistesabwesend, fast apathisch an seine Zimmerdecke. Er fühlte sich schlecht und hatte keinerlei Lebensfreude mehr an seinem Dasein. Hin und wieder ließ der junge Mann seine Hände über seine blutigen Haarsträhnen streichen und streckte sie anschließend auf seltsame Weise gegen die Wand, fast so als wollte er sie ergreifen. Sein Atem war kalt und sein Körper schwächelte. Wenn man genau hinsah konnte man erkennen, dass Valnars Lippen sich auf und ab bewegten, so als flüstere er sich selbst zu. Seine Augen waren wie ein Leichentuch und schienen kein Ziel mehr zu haben. Sie kollidierten schwerfällig mit der Zimmerdecke und fanden schließlich auf der rechten Seite seines Bettes ihre Ruhe. Dort befanden sich drei Gegenstände. Das Bild von ihm und Aysha, das Iyana gestern vom Flur aus gesehen hatte, eine Flasche Duftwasser und ein Bett. Ayshas Bett. In diesem Moment wurde ihm erst klar, dass diese Seite von nun an leer bleiben würde, das Laken nie mehr warm, sondern nur noch kalt und steril. Bei dieser Erkenntnis durchfuhr den jungen Mann ein Schmerz, der stärker war als der Schlag auf den Hinterkopf, dem ihm Ayshas Mörder in der vergangenen Nacht verpasst hatte.
Das lag daran, dass dieser Schmerz seelischer Natur war und Valnar noch lebte. Hauptsächlich aber deshalb, weil er noch lebte. Wäre er ebenfalls tot, könnte er jetzt bei seiner Aysha sein und er würde sich nicht mehr so allein und gebrochen fühlen. Warum war der Mann nur so gnädig gewesen und hatte ihm das Leben geschenkt? Jetzt hielt ihn doch nichts mehr in dieser Welt. Wo er auch hingehen würde, stets wäre er verfolgt von seinem Gewissen und dem Schmerz. Er zweifelte nicht daran, dass er die darauffolgenden Nächte genauso schlaflos verbringen würde wie die letzte Nacht. In den Spiegel wollte er gar nicht sehen. Sicher wäre er zutiefst entsetzt über das Gesicht dieses Mannes, das dunkle Augenringe, Blut und getrocknete Tränen preisgeben würde. Es steckte kein einziger Lebensfunke des früheren Valnar mehr in ihm. Er war jetzt nur noch ein kaltes Stück Fleisch, das kein Herz mehr besaß. In seinen Augen war er vielleicht nicht mal mehr das. Er konnte es sich selbst einfach nicht verzeihen, dass er seine Aysha nicht vor diesem Wesen hatte beschützen können. Wäre er stärker gewesen, nein wäre er mutiger gewesen, hätte vielleicht noch Hoffnung bestanden.
Aber Valnar war kein Tor. Er wusste genau, dass ohnehin schon alle Hoffnung verloren gewesen war, als der Mann in der Höhle den Körper seiner Freundin umher geschwenkt hatte. Diese Tatsache war ihm schmerzlich bewusst und gerade deshalb konnte er mit sich selbst nicht mehr länger im reinen leben. Und selbst wenn ihn sein äußeres nicht erschreckt hätte wenn er in den Spiegel sah, erblickte er nur noch die Augen eines Mörders und eines Feigling. Das allein war ein weiterer Grund den Spiegel zu meiden. Eigentlich sogar der wesentliche.
Valnar befühlte seine Haare zwischen seinen rauen Fingern. Das Blut war inzwischen eingetrocknet, doch die Wunde in seiner Seele war noch frisch. Er empfand Zorn. Nicht nur gegen sich selbst sondern auch gegen die ganze Stadt. Nachdem er sich gestern benommen aus der Höhle geschleppt hatte, war er völlig in Panik aufgelöst wieder in die Stadt gerannt und hatte die Leute dort innigst gebeten ihm zu helfen und sich seine Geschichte anzuhören. Doch, als sie ihn so sahen, blutüberströmt und hilflos wie ein kleines Kind, hatten sie keine besondere Lust in den Sturm zu ziehen, noch glaubten sie ihm seine Geschichte. Aysha war zwar verschwunden, aber keiner wollte glauben, dass sie von einem fremden Mann brutal ermordet und ihre Leiche kurz darauf ins Gebirge verschleppt wurden war. Seine Situation wurde von den Leuten wie die eines Kleinkindes aufgenommen. Einige glaubten sogar, er hätte sich das alles nur eingebildet und als Entschuldigung dafür benutzt, dass ihm seine Verlobte entflohen war. Niemand kam auch nur der Gedanke an einen Mord, sodass Valnar nicht mehr länger über dieses Thema gesprochen hatte. Viel mehr hatte er sich in sich selbst zurückgezogen und überhaupt nichts mehr gesagt. Zum alltäglichen Tagewerk war der Junge auch nicht erschienen. Zu frisch war die Trauer, zu groß der Schmerz. Und doch war ihm seine Aysha so plötzlich entrissen worden, dass er nicht einmal richtig wusste, ob er jemals so etwas wie Glück besessen hatte.
In seinen Augen schimmerte es feucht. Seit gestern hatte Valnar keine Tränen mehr vergossen. Er war sich nicht sicher ob er jemals wieder imstande sein würde zu weinen. Ruhelos wälzte er sich in seinem Bett herum bis er auf der rechten Seite liegen blieb und seine Hände kraftlos an den Bettstangen herunterbaumeln lies. "Lass mich sterben, ich möchte das nicht mehr erleben ..." flüsterte Valnar mit geröteten Augen voller Müdigkeit in die Stille des Raumes hinein. Den Mörder konnte er nicht verfolgen und sicher war er schon längst verschwunden. Seine Träume jedoch folgten ihm überall hin, und das war schmerzhafter als alle Prügel, die der Junge je von seinem Vater bezogen hatte, als der sich noch um ihn gekümmert hatte, bevor er auf eine lange Schiffreise ohne Wiederkehr gegangen war. "Wenn ich doch die Zeit zurückdrehen könnte ich veränderte vieles ..." murmelte Valnar emotionslos. Das Ticken der Uhren wurde von einem knarrenden Geräusch, das nun durch die Haustür erzeugt wurde, unterbrochen.
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